WAS UNSERE PARTEI KENNZEICHNET: Die politische Kontinuität von Marx zu Lenin bis zur Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Partei Italiens (Livorno 1921); der Kampf der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale, gegen die Theorie des “Sozialismus in einem Land” und die stalinistische Konterrevolution; die Ablehnung von Volksfronten und des bürgerlichen Widerstandes gegen den Faschismus; die schwierige Arbeit der Wiederstellung der revolutionären Theorie und Organisation in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik.


 

„Nur mit Hilfe einer Partei, die sich auf ihre historische Vergangenheit stützt, die theoretisch den Gang der Entwicklung und alle ihre Etappen voraussieht und daraus den Schluss zieht, welche Form der Aktion im gegebenen Moment die richtigste ist, kann sich das Proletariat von der Notwendigkeit befreien, seine Geschichte, seine Schwankungen, seine Unentschlossenheit und seine Fehler zu wiederholen.“ L. Trotzki, Die Lehren der Pariser Kommune (1920)


Inhalt:

Unser Name ist unser Programm
Woher wir kommen
Historische und formale Partei
Warum die Arbeiterklasse
Was bedeutet Kommunismus?
...und was bedeutet es, Kommunist zu sein?
Was tun?
Zum Abschluss


Unser Name ist unser Programm

„Internationale Kommunistische Partei“, wird manch skeptischer Leser mit einem Mix aus Ungläubigkeit und Ironie sagen. „Wie bitte? Die Parteien sind bankrott gegangen, der Kommunismus ist tot, die Zeit der Nationalismen hat von neuem begonnen, und die nennen sich Internationale Kommunistische Partei! Wo leben die denn?!“ Der skeptische Leser sollte erst mal Ruhe bewahren: Wir wissen sehr gut, wo und in welcher Zeit wir leben und genau deswegen nennen wir uns so. Zu allererst versuchen wir nun, das Feld von diesen Missverständnissen zu entrümpeln.

Partei? Ja, wir bezeichnen uns als „Partei“, wir pochen auf die Notwendigkeit der Partei. Die herrschende Ideologie (die des Kapitals und derjenigen, die es am Laufen halten: Politiker, Ökonomen, Intellektuelle, Gewerkschaftler, Polizisten jeglichen Typs) würden uns gerne auf viele Individuen reduzieren, isoliert und unfähig, über die Grenzen des eigenen Ichs zu schauen, paralysiert durch die Alpträume, von denen die heutige Welt voll ist, verblödet durch die Massenmedien, die vor lauter Obszönität und Inhaltslosigkeit keinen Boden mehr sehen, resigniert und bereit zur Kapitulation (oder buchstäblich unter Drogen gesetzt durch den Mythos, dass das Individuum alles kann, wenn es will, wenn es das Wissen hat, liest und sich informiert, während in Wirklichkeit das Individuum im Königreich des Kapitals so hilflos und verwundbar ist, wie man es sich nur vorstellen kann, wirkliches Opfer von Mechanismen, deren Funktionsweise ihm unverständlich ist).

Auf der anderen Seite hat die herrschende Klasse ihre unterschiedlichen Parteien, jede entsprechend der vielen konkurrierenden Interessen, die den Kapitalismus charakterisieren. Und nach Bedarf ist sie gut in der Lage dazu, zur „Einheitspartei“ zu kommen, ein explizites und direktes Instrument ihrer Klassenherrschaft, und in dieser die von selbst verwahrlosten und auf viele impotenten Moleküle reduzierten Individuen zu reglementieren. Warum aber sollte das Proletariat nicht seine eigene Partei haben? Warum aber sollten wir der herrschenden Klasse die Hand geben bei dieser Zersplitterungsarbeit, Kapitulation und Knechtung, indem wir in guter Manier die Vorstellung akzeptieren würden, dass „die Zeit der Parteien vorbei ist“? Wir wären nichts als schwachsinnige Verbrecher.

Wir sagen stattdessen, dass die Arbeiterklasse die Partei benötigt, um wirklich auf die Zersplitterungsarbeit zu reagieren, die von der herrschenden Klasse betrieben wird, um tatsächlich auf die Parteien von Recht und Ordnung, des Vaterlandes, des Status quo, des Krieges antworten zu können. Die Arbeiterklasse benötigt aber eine Partei, die ihre historischen Interessen repräsentiert, die ihr hilft, die notwendige Einheitlichkeit und Identität zurückzugewinnen, um sich heute zu verteidigen und morgen zurückzuschlagen, die einen stabilen und erkennbaren Bezugspunkt bildet, die sich auf eine solide, theoretische Grundlage, auf ein für alle klares Programm, auf eine generationsübergreifende historische Erfahrung, auf eine feste interne Disziplin stützt, nicht aus stupidem Kadavergehorsam oder aus blindem Vertrauen, sondern durch das Bewusstsein von allen Genossen, um zu einer gemeinsamen Sache beizutragen, ohne Trugbilder von Medaillen und Ruhm, Privilegien und ehrenwerten Pöstchen.

Es ist wahr: in diesen Zeiten können sich die Parteien keiner guten Gesundheit erfreuen. Es gibt jene die von der Bildfläche verschwinden und jene die sich umtaufen, jene die mit ihrem Chef untergehen, jene die Hemd und Hose wechseln. Aber es ist nicht die „Parteiform“, die bankrott gegangen ist; wie es all die Anhänger von nicht klar definierten „Bündnissen, Bewegungen, Clubs, Verbänden“ gerne behaupten (die dann entweder alle darin enden, im traditionellen Sinne wie eine Partei zu agieren, oder wenn sie dies nicht wollen, damit nur die eigene totale Handlungsunfähigkeit demonstrieren). Bankrott gegangen sind die politischen Programme von Parteien, die den einen oder anderen imperialistischen Block als zu unterstützendes Modell angesehen haben: das westliche unter dem Schirm der USA, das östliche unter dem Schirm der UdSSR (mit ihren verschiedenen Ausprägungen von China, Albanien, Kuba usw.). Und die, die diesen Modellen komplett die eigene Politik, die eigene Strategie, die eigene Taktik untergeordnet haben.

Die ökonomische Krise, die sich 1975 eröffnet hat (mit der tragischen Reihe der jüngsten Ereignisse: soziale Instabilität, Erwerbslosigkeit, Rassismus, Kriege) hat soziale Sicherheiten, Absicherungen, Arbeitsplätze, Unbeschwertheit in der Gegenwart, Vertrauen in die Zukunft zermalmt. Die gesamte Welt leidet unter Krämpfen, die alten Orientierungspunkte haben sich in nichts aufgelöst, die Gewohnheiten, die die Lebensweise von Generationen gestützt und bedingt haben, wurden bis ins Fundament erschüttert, und alle Kommentatoren stimmen im Eingeständnis damit überein, dass heute die große Unsicherheit regiert. In dieser immer dramatischeren Situation gibt es jene, die gerne noch weiter im Sumpf der Desorientierung absinken möchten (und dies tun), indem sie proklamieren, dass „die Zeit der Parteien vorbei ist“!

Kommunist? Ja, wir nennen uns „Kommunisten“ und betonen die Notwendigkeit des Kommunismus. Und ein Fundament der marxistischen Theorie ist die Vorstellung, dass alle Gesellschaften, die in Klassen geteilt sind, einen sicheren Punkt, ein Stadium erreichen, in welchem die Entwicklung der Produktivkräfte in gewaltsame Widersprüche mit den Formen des gesellschaftlichen Lebens mündet, die durch dieses System produziert wurden: die Folge ist eine permanente Instabilität, eine akute Degeneration des sozialen Lebens in all ihren Aspekten (Kriminalität, Drogen, Umweltzerstörungen, Gewalt zwischen Individuen und gesellschaftlichen Gruppen), ökonomische Krisen, die immer näher kommen, umfassender und tiefgreifender sind, Kriege, die von der Peripherie zum Zentrum kommen, bis sie in verwüstende weltweite Konflikte münden. Das System läuft leer, ist mit Waren verstopft, die es nicht mehr verkaufen kann, es kann die vielen Millionen Erwerbslosen nicht mehr aufnehmen, die es produziert hat und versucht auf die einzige Art und Weise aus der Sackgasse zu entkommen, die es kennt: indem es mehr zerstört, wenn nicht sogar alles, was an Übermenge existiert. Schließlich wird die höllische Runde einen Wiederaufschwung bringen mit erneuerter Aggressivität, mit gesteigerten destruktiven Möglichkeiten.

Seit langer Zeit schon ist das kapitalistische System in das Stadium eingetreten, in welchem – vom Standpunkt des Fortschritts der Menschheit aus gesehen – seine Geschichte dazu verurteilt ist, nur noch negativ zu sein. Seit langer Zeit also ist die Notwendigkeit (objektiv, nicht subjektiv; materialistisch, nicht moralisch) aktuell, dass an dessen Stelle ein anderes ökonomisches und gesellschaftliches System tritt – ein System, basierend auf höchstem Niveau, welches durch die Produktivkräfte erreicht wurde – ein System, das diese aus den Bändern befreit, welche sie destruktiv machen, das sie zu einem anderen Zweck einsetzt, als der Profitproduktion, der Konkurrenz von allen gegen alle, von einem Markt, der strukturell (genetisch!) verrückt ist.

„Das sind ja schöne Resultate, die des sowjetischen Kommunismus!“, wird nun unser skeptischer Leser kommentieren. Dieser Einwand lässt uns weder kalt noch warm werden, aus dem einfachen Grund, dass wir das, was in der UdSSR (wie in China, in Albanien, in Jugoslawien, in Kuba: kurz, der sogenannte „Realsozialismus“) existiert hat, niemals als „Kommunismus“ verstanden haben. „Es ist einfach, dies jetzt zu sagen!“, wird uns der skeptische Leser unterbrechen. Nein: nicht erst seit jetzt behaupten wir das, sondern seit Mitte der 20er Jahre, als unsere Strömung in offener Art und Weise dem aufkommenden Stalinismus entgegengetreten ist, indem es in ihm keine Variante des Kommunismus, sondern seine Negation erkannt hat: um nicht zu sagen, die moderne Form der Konterrevolution. In der UdSSR und in allen Ländern des sogenannten „Realsozialismus“ gab es nicht ein Gramm von Sozialismus oder Kommunismus. In all diesen Ländern herrschten Formen von mehr oder weniger entwickeltem, mehr oder weniger komplettem Staatskapitalismus. Von Kapitalismus also und nicht von Sozialismus oder Kommunismus – was sich dann international in den Programmen der pseudo-kommunistischen stalinistischen Parteien widergespiegelt hatte: auf den Mythos der „Volks-“Demokratie eingestimmt und sich mit irgendeiner Fortschrittsgläubigkeit identifizierend, die Augen auf Reformen, aufs Parlament, bis zur Mitarbeit in der Regierung fixiert. Und es ist durch diese Analysen bedingt (eine enorme Arbeit von Jahrzehnten, basierend auf Studien und Kämpfen, alleine gelassen und gegen den Strom, als solche Positionen zu behaupten bedeutete, als „Faschist“, „Agent der Gestapo“, „bezahlt von der CIA“ abgestempelt zu werden!), dass unsere Strömung die Reihen geschlossen hat und es verstanden hat zu widerstehen: gegen den stalinistischen Betrug und gegen die fürchterlichen Folgen dieses Betruges, von dem wir heute auf der ganzen Welt die tragischen und desaströsen Auswirkungen sehen.

Deswegen haben wir keinerlei Probleme damit (im Gegenteil verspüren wir großen Stolz dabei), uns als Kommunisten zu definieren, heute, wie gestern, wie morgen. Wer dies nicht versteht, wer davon überzeugt ist, dass „die Zeit des Kommunismus vorüber sei“, ist, gewollt oder ungewollt, der letzte Stalinist auf dieser Erde, weil er darauf beharrt, unter Kommunismus den (größtenteils) vorherrschenden Staatskapitalismus der Länder des Ostblockes zu verstehen, der seine eigene Aufgabe der ursprünglichen Akkumulation erfüllt hat und dann versuchte, sich in flexiblere ökonomische Strukturen zu transformieren, auch um die verwüstende, weltweite ökonomische Krise zu bewältigen, die Mitte der 70er Jahre begonnen hat. Die Notwendigkeit des Kommunismus spürt man hingegen in Jugoslawien wie in Ruanda, in Los Angeles wie in Moskau oder Paris, in Afghanistan wie in Italien; in den Metropolen, die von Elend durchtränkt sind, Umweltzerstörungen und Gewalt, wie die von Abwasser und Pestiziden vergifteten Landschaften; in den medizinischen, physikalischen und chemischen Forschungszentren, die von der zwingenden Kategorie des Profits dominiert sind, wie in den Fabriken der ersten, zweiten und dritten Welt, in welchen man den Mehrwert in immer brutalerer Form auspresst; in den amazonischen Wäldern, die durch das Fortschreiten der kapitalistischen Maschinerie niedergebrannt werden wie die afrikanischen Landschaften, die durch die Suche nach Erdöl und durch die Bedürfnisse von Monokultur, die momentan noch mehr Profit abwirft, ausgetrocknet werden...

International? Ja, wir bezeichnen uns als „Internationalisten“, und bekräftigen die Notwendigkeit des Internationalismus und einer internationalen Organisation und Strategie. Nicht nur, weil der Kommunismus von Beginn an international und internationalistisch ist (und nichts anderes sein kann). Sondern auch weil, noch ein Mal, es die Realität selber ist, die den Weg weist. Im Verlauf von einem Jahrhundert konnten wir die beeindruckende Ausbreitung des kapitalistischen Systems in jeden Winkel der Erde beobachten. Wie Marx perfekterweise vorhergesehen hat, hat sich das Kapital auch die entferntesten Gebiete des Planeten unterworfen und in ein enges und äußerst effizientes Geflecht von ökonomischen, politischen, kulturellen, informatorischen Beziehungen eingewickelt. Der Prozess, der so herrlich im Kommunistischen Manifest von 1848 beschrieben wurde, hat die Grenzen von Europa und Amerika überschritten und Asien, Lateinamerika, Afrika fort gerissen und seinen eigenen eisernen und erbarmungslosen Gesetzen unterworfen: und dieser Prozess selbst hat die Grundlagen für eine weltweite Organisation des Lebens und der menschlichen Kollektivität geschaffen.

Gleichzeitig hat der Wettbewerb zwischen den nationalen Bourgeoisien ein sehr heftiges Niveau erreicht, das schon die Formierung eines künftigen Weltkrieges ankündigt: der Handelskrieg zwischen den USA auf der einen Seite und der EU und China auf der anderen steht seit Jahren auf der Tagesordnung, mit den anderen hochindustrialisierten Ländern, die damit beschäftigt sind, eine passende Koalition innerhalb dieses Streits zu finden; der Krieg, der zur Kontrolle der Rohstoffe und der großen Handelswege geführt wird, ist in der Peripherie des hoch entwickelten Kapitalismus schon im Gange (hieraus erklärt sich der Golfkrieg, Somalia, Ruanda, die totale Instabilität von Afrika und des Mittleren Ostens, die Tragödie von Jugoslawien: das sind keine Kriege von Ethnien und Religionen!) – eine Situation, die seit dem Zusammenbruch des Ostblockes mit der Explosion von lokalen Konflikten mit unglaublicher Gewalt noch viel chaotischer und dramatischer geworden ist. Die bürgerliche Welt schwankt also immer mehr zwischen der weltweiten Dimension des Marktes als Ausdruck der imperialistischen Phase des Kapitalismus und dem Explodieren von Lokalismen und Nationalismen als Reflex des Wettbewerbes und des Verlaufes des Profits, besonders in einer Epoche der akuten Krise, welche eine ist, die sich schon seit mehr als vier Jahrzehnten zwischen Höhen und Tiefen hinzieht, mit Phasen des vertikalen Zusammenbruchs und Momenten der Abschwächung und nur scheinbaren Erholung.

Es ist offensichtlich, dass der einzige Ausweg aus der patriotischen Rhetorik, aus der lokalistischen Stumpfsinnigkeit, aus der nationalistischen Barbarei, aus der ethnischen Sackgasse, aus dem Tunnel der immer umfangreicheren Konflikte in der Zurückeroberung einer kraftvollen internationalistischen Perspektive besteht: sprich, die als positiven Ausgangspunkt auf historischer Skala die weltweite Dimension wiedererkennt, die durch dieselbe Entwicklung der Produktivkräfte erreicht wurde, die unverzichtbare Grundlage des Kommunismus; die das Elend und die Eifersucht, die irrationalen Ängste und die idiotischen Theoretisierungen überwindet, die von der bürgerlichen und demokratischen Ideologie gespeist werden, auch wenn diese mit vollen Händen die Rhetorik der „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ausschüttet; die der Erpressung von jedem wie auch immer verkleideten Patriotismus widersteht und darauf antwortet, indem sie gegen die eigene nationale Bourgeoisie im Bewusstsein kämpft, dass es sich um einen internationalen Kampf handelt; die das Problem der großen Migrationsströme in Angriff nimmt, der Zerstörung ganzer Gebiete des Planeten, des wachsenden Elends in der Peripherie der entwickelten kapitalistischen Nationen, keine scheinheiligen und feigen Wohltätigkeitsinitiativen, sondern indem sie die Arbeiter aller Länder in einer einheitlichen Armee umfasst, gezwungen durch die kapitalistische Expansion mit ihrer täglichen Tragödie, dem Tod durch Hunger und Epidemie und fortwährendem Nomadentum.

Ein Internationalismus, der somit die notwendige Vorwegnahme (nicht im Königreich der Ideen, sondern der Fakten) des Konzeptes von Spezies ist, auf die der Kommunismus basiert: grundsätzlich verschieden also von den beschränkten Grenzen, die wir von der Gesellschaft des Kapitals gewohnt sind, der Ausbeutung, der Konkurrenz und des Profites, und ausdrücklich gegen das ideologische Rüstzeug des „souveränen Individuums“, des „auserwählten Volkes“, der „triumphierenden Nation“, also genau das, was diese Gesellschaft charakterisiert.

Internationale Kommunistische Partei, genau deshalb: sprich, ein Programm, eine Strategie, eine Taktik, eine Organisation, die in der Lage wäre, die Grenzen von Raum und Zeit zu überwinden, die Kontinuität zwischen den Generationen sicherzustellen, die besten revolutionären Energien in einem einheitlichen Organismus zu integrieren und hochzuhalten, die Egoismen und Eifersucht aufheben, die Arbeiter der ganzen Welt über politische, ideologische und geographische Barrieren hinweg zu vereinigen, um sie zu organisieren, sie zu begleiten und zu leiten im Kampf gegen das System des Kapitals, im Kampf für den Kommunismus, für die endlich klassenlose Gesellschaft.

Woher wir kommen

Der skeptische Leser fragt sich nun, ob es sich bei uns um eine der zahlreichen Grüppchen handelt, die um die '68er entstanden sind und mit Mühe die Zeit der Studentenbewegung, der Proteste, des Terrorismus überlebt haben. Da müssen wir den Leser ein weiteres Mal enttäuschen.

Die Internationale Kommunistische Partei hat einen ganz anderen Ursprung und mit den '68ern, den Jugendbewegungen und der infantilen Reaktion auf den Stalinismus, die sich selbst „Extremismus“, „Spontaneismus“, „Bewegungsorientiert“, „Operaismus“ usw. nennt, haben wir rein gar nichts zu tun. Dies ist ein radikaler, „genetischer“ Unterschied. Unsere Partei – auch wenn sie heute klein, wenig einflussreich, mit einem geringen zahlenmäßigen Gewicht ist – ist die ununterbrochene Fortsetzung mit den Höhen und Tiefen von sehr schweren Ereignissen der Konterrevolution, der großen Tradition der internationalen kommunistischen Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie ist – um eine Rhetorik zu benutzen – wie ein karger Fluss, der unter der Trockenheit, unter dem Schlamm und dem Erdrutsch weiterfließen konnte. Wir versuchen, diesen langen Weg in einer schematischen und grundlegenden Weise zurückzuverfolgen.

1892 Die Sozialistische Partei Italiens entsteht. Als Ergebnis des Zusammenkommens verschiedener Richtungen, die nicht alle klar revolutionär und internationalistisch waren, wird die PSI von Reformisten geführt (die, im Vergleich mit jenen, die besonders nach dem Zweiten Weltkrieg mit der sogenannten „Linken“ folgten, wenigstens Würde bewiesen). Die Jahre am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sind eine Zeit grosser Arbeiterkämpfe, ob in Italien, dem übrigen Europa und in Amerika, und die reformistische Führung der PSI und der grossen Gewerkschaftszentralen stellten sich oft der Kampfbereitschaft der Massen entgegen.

1910 Auf dem Mailänder Kongress der PSI taucht eine Linke auf, die zum Kampf gegen die reformistische Führung der Partei und der Gewerkschaften entschlossen ist, inmitten der Arbeiterkämpfe, in denen sie schon länger die Avantgarde darstellt. Die Linke verkündet ihren Internationalismus sofort in Taten, indem sie mit aller Kraft gegen den Krieg in Libyen (1911) kämpft. Beim Kongress von Reggio Emilia (1912) organisiert sie sich zur „Unnachgiebigen Revolutionären Fraktion“ (Frazione Intransigente Rivoluzionaria). Kennzeichnend für diese Jahre ist auch ihr Kampf innerhalb der Sozialistischen Jugend (Frazione Giovanile Socialista) gegen diejenigen Positionen, die aus dieser einen reinen kulturellen Organismus machen wollten. Für die Linke hingegen sollte die Jugendorganisation (wie auch die gesamte Partei) eine Kampforganisation sein: der Hauch der Revolution aus dem gesamten Leben der Partei muss die einzelnen jungen Kämpfer erfüllen. Die Partei ist die Führung des Proletariats, die langfristig den Weg zur Revolution weist, und kein banales „Parteischülchen“. Eine entscheidende Rolle innerhalb der Unnachgiebigen Revolutionären Fraktion nahmen nunmehr, in Neapel, Amadeo Bordiga (1890-1970) und der „Revolutionäre Sozialistische Zirkel 'Karl Marx'“ ein, als tatsächliche Bezugspunkte der gesamten Linken der PSI.

1914 Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs verkündete die Linke der PSI die Notwendigkeit des „revolutionären Defätismus“, in voller Übereinstimmung mit den leninschen Thesen, die zu diesem Zeitpunkt in Italien praktisch unbekannt waren. Angesichts des Umfallens aller europäischen sozialistischen Parteien (die die Kriegsbemühungen ihrer jeweiligen Bourgeoisien unterstützten und für die Kriegskredite stimmten), und trotz der Bemühungen der Linken, nahm die PSI zu der zweideutigen Formel „weder Unterstützung noch Behinderung“ Zuflucht. Die „Interventionisten“ [Kriegsbefürworter], mit Mussolini an der Spitze, verliessen die Partei.

1917 Mit dem Beginn der Oktoberrevolution stellte sich die Linke ohne Zögern auf die Seite Lenins und Trotzkis und begrüsste das Ereignis als die Eröffnung einer internationalen revolutionären Phase: „Der Bolschewismus, ein Gewächs jedweden Klimas“ lautete der Titel eines Artikels Bordigas, der die Revolution aufs heisseste willkommen hiess. Gramsci und Togliatti, die die Turiner Gruppe um die Zeitung „L'Ordine Nuovo“ (mit grossem idealistischen und also nicht-marxistischem Einfluss) repräsentierten, waren dagegen verwirrt und zweideutig: im Artikel „Die Revolution gegen das Kapital“ vertritt Gramsci zum Beispiel, dass die Oktoberrevolution ihrer marxistische Perspektive abschwört! In Italien ist die Linke die einzige Formation innerhalb der PSI die über ein landesweit organisiertes Netz verfügte: auf ihre Initiative hin folgte die Einberufung der Versammlung von Florenz 1917, bei der die völlige Unnachgiebigkeit der Partei in ihrer Opposition gegen den Krieg betont wurde. Anfang 1918, während die sozialen Spannungen vor allem auf dem Lande wuchsen, sich die Streiks vervielfältigten und das Missfallen an den Auswirkungen des Krieges stieg, kämpfte die Linke (die seit Dezember über ein eigenes zentrales Presseorgan, „Il Soviet“, verfügte) darum, dass die PSI rückhaltlos das revolutionäre Russland unterstützte und offen die internationale Bedeutung der leninschen Strategie anerkannte.

1919 - ist das entscheidende Jahr in ganz Europa: es ist das Jahr der grossen Streiks in Italien und der revolutionären Versuche in Deutschland und Ungarn, das Jahr, in dem Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden, in dem die Dritte Internationale als Partei der Weltrevolution gegründet wurde. In Italien begann die scharfe Auseinandersetzung zwischen der Linken (die auf die Bildung einer authentischen kommunistischen Partei drängte, um die Erfahrung der russischen Revolution auf den vorgeschrittenen Westen anzuwenden und den Charakter der Räte als Organ der Doppelmacht in einem revolutionären Prozess betonte) und „L'Ordine Nuovo“ (der vorgab, in den Fabrikräten ein Äquivalent zu den Räten gefunden zu haben und diese – die nichts als lokale, völlig in die soziale und politische kapitalistische Organisation eingebundene Organismen waren – als „Vorwegnahme der künftigen Gesellschaft“ erklärte). Noch 1919, vor allem aufgrund der theoretischen und praktischen Arbeit der Linken, bildet sich im Innern der PSI die „Abstentionistische Kommunistische Fraktion“ (Frazione Comunista Astensionista), der Kern der künftigen Kommunistischen Partei Italiens (KPI). Ein sie kennzeichnendes Element ist die Behauptung, dass in den alten demokratischen Ländern (Mittel- und Westeuropa und die Vereinigten Staaten) das Parlament weder der Ort ist, an dem die wirklichen politisch-ökonomischen Entscheidungen gefällt werden (genauso wie es die Klassiker des Marxismus seit jeher gelehrt haben), noch eine nützliche Tribüne darstellt um der Stimme des Kommunismus Gehör zu verschaffen: es ist mit der Zeit zu einem Instrument geworden, die revolutionären Energien in die Irre zu führen und zu zerstreuen. Nicht nur der Parlamentarismus wurde bekämpft, sondern auch die Beteiligung an Wahlen untersagt, um der Opposition gegen die Wahlen und gegen den bürgerlichen Staat (auch den „demokratischsten“) grösstmögliche Bedeutung zu geben. Ein anderes charakteristisches Element der Strategie der Linken ist die Konzeption der „Einheitsfront von unten“: nicht also die fragwürdige und konfuse Annäherung von Parteien oder Organisationen mit verschiedensten politischen Programmen, sondern der Zusammenschluss der Arbeiter in einer gemeinsamen Kampffront, unabhängig von ihren politischen und religiösen Überzeugungen, entlang konkreter und objektiver Ziele in der Verteidigung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen.

1920 Auf dem Zweiten Kongress der Dritten Internationale ist die Anwesenheit der Linken von fundamentaler Wichtigkeit. Ihr Beitrag ist entscheidend dafür, die „Beitrittsbedingungen“ zur Internationale selbst strenger zu gestalten, um zu verhindern, dass Gruppen und Parteien in Worten – und aufgrund der Welle der noch entschlossenen Kämpfe – der Internationale beitreten, ihr revolutionäres Programm und die Disziplin somit anerkennen, aber dann in den Taten deren Arbeit sabotieren (vor allem, wenn die revolutionäre Welle abebbt). Die Linke ist diejenige europäische kommunistische Formation, die sich mit grösster Klarheit um eine internationalistische Perspektive schart, die Internationale als die wirkliche, authentische Weltpartei begreift und nicht als eine formelle, arithmetische Summe von nationalen Parteien, die sich vorbehalten, ihre eigenen Wege zu gehen. In der Internationalen trat die Linke (die in Italien für die Bildung einer wirklichen Kommunistischen Partei kämpfte) für eine vollständige Bestätigung des Marxismus ein, für eine internationalistische programmatische, strategische und taktische Perspektive, die die Proletarier des vorgeschrittenen Westens mit den Völkern des Ostens verbindet, für die Notwendigkeit der revolutionären Partei, für den gewaltsamen Bruch mit der bürgerlichen Ordnung, für die Errichtung einer proletarischen Diktatur als Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft und für eine interne Disziplin innerhalb der internationalen wie nationalen Organisationen, die sich nicht auf hohlen Kadavergehorsam stützt, sondern auf die völlige Anerkennung und das volle Verständnis des revolutionären Programms seitens aller Parteimitglieder.

1921 Auf dem Kongress von Livorno der PSI brach die Kommunistische Linke mit der alten reformistischen Partei und gründete die Kommunistische Partei Italiens, Sektion der Kommunistischen Internationale. Trotz der gegenteiligen Behauptungen der stalinistischen Geschichtsschreibung oblag die Führungsrolle gänzlich bei der Linken und Bordiga: Gramsci, Togliatti & Co. sind in dieser Phase völlig an ihr ausgerichtet. Für zwei Jahre, in denen in Westeuropa versucht wird, den Weg der Revolution frei zu machen und der Sowjetunion somit die entscheidende Hilfe zu geben, stellt die von der Linken geführte KPI die fortgeschrittenste Spitze des Bolschewismus, „Gewächs jedweden Klimas“, dar. Auf gewerkschaftlicher Ebene arbeitete man daran, eine wirkliche Kampfeinheit (keine Parteieneinheitsfront) unter den Arbeitermassen herzustellen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung; man führte einen tapferen Kampf gegen den sozialdemokratischen Reformismus, der die Arbeiter mit pazifistischen und legalistischen Illusionen hinters Licht führte; man kämpfte freimütig gegen den Faschismus, der nicht als eine feudalistische Reaktion aufgefasst wurde (wie ihn in der Folge der Stalinismus theoretisierte!), sondern als politischer Ausdruck des (industriellen und landwirtschaftlichen) Grosskapitals, um einer weltweiten Wirtschaftskrise und einer kämpferischen Arbeiterschaft entgegenzutreten; ein eigener militärischer Apparat wurde aufgebaut zur Verteidigung gegen die Reaktion, und vermied damit gleichermassen eine Vermischung mit zweifelhaften und fragwürdigen Gruppierungen wie den „Arditi del Popolo“; in allen taktischen und strategischen Fragen, die sich im Verlauf des zunehmenden Rückflusses der revolutionären Bewegung stellten, bestand man auf einer internationalistischen und internationalen Perspektive und verurteilte bis zum Ende ihres Auftretens die lokalistischen und autonomen Tendenzen und vor allem den Druck zur Unterordnung der Internationale selbst unter die nationalen russischen Bedürfnisse.

1923-24 Von der Verhaftung Bordigas und eines Grossteils der Führung der KPI (der Prozess endete Ende 1923 mit einer berühmten Selbstverteidigung der Verhafteten und ihrem Freispruch) profitierend, ging die Führung in die Hände von Menschen über, die den stets „dehnbareren“ Direktiven der Internationale geneigter waren. Im Verlauf des Jahres 1924 wurde die Linke, obwohl sie auf der nationalen Konferenz von Como (im Mai) die Mehrheit erhielt, von der Führung hinausgedrängt, welche auf Initiative Moskaus der zentristischen Strömung um Gramsci und Togliatti anvertraut wurde. In den zwei folgenden Jahren nahm die Demontage des Einflusses der Linken in der Partei immer mehr den Ton und die Formen an, die für die stalinistische Politik typisch sind: ihr Organ „Prometeo“ wurde nach wenigen Nummern unterdrückt, die Sektionen, in denen die Linke die Mehrheit stellte, wurden aufgelöst, die Genossen der Linken wurden aus den leitenden Funktionen entfernt, ihre Artikel und Dokumente zensiert oder nicht veröffentlicht, und ein inneres Regime aus Einschüchterung und Argwohn, Kadavergehorsam und Bürokratie setzte sich in der Partei durch.

1926 Auf dem III. Kongress der Partei, der außerhalb von Italien in Lyon stattfand, mündeten die Manöver der neuen Zentrale (historisch gut dokumentiert: z.B. wurden die Stimmen der abwesenden Delegierten der Linken automatisch der Zentrale zugeschlagen!) in die vollständige Verdrängung der Linken, der es verunmöglicht wurde zu agieren und sich Gehör zu verschaffen und so innerhalb der Partei endgültig ausgegrenzt wurde. Im selben Jahr, bei der VI. Sitzung des Erweiterten Exekutivkomitees (EKKI) der Kommunistischen Internationale (Februar/März in Moskau) kämpfte Bordiga gegen die „Bolschewisierung“, das heisst die Reorganisation der Partei auf der Basis von Betriebszellen, die – unter dem demagogischen Vorwand den „Arbeitercharakter“ der Partei zu verstärken – hingegen dazu führte, die Basis auf den engen Horizont des Einzelbetriebs zu beschränken und damit die Figur des „Funktionärs“ oder „Bürokraten“ unentbehrlich zu machen, der „die Linie vorgibt“ und so eine künstliche und hörige Verbindung zwischen Zentrum und Basis festigte. Auf der gleichen hitzigen Moskauer Versammlung ergriff Bordiga – als einziger unter den Rednern – die Initiative, um zu verlangen, dass die schwere interne Krise der Bolschewistischen Partei (Vorspiel für die falsche und verlogene Theorie vom „Sozialismus in einem Land“) auf die Tagesordnung des nächsten Weltkongresses der III. Internationale gesetzt würde, weil „die russische Revolution auch unsere Revolution ist, ihre Probleme auch unsere Probleme sind, und jedes Mitglied der revolutionären Internationale nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, sich an ihrer Lösung zu beteiligen“. Der Faschismus sorgte für die Verhaftung Bordigas (zusammen mit allen anderen Führern der KPI), noch bevor der nächste Weltkongress zusammentrat; Stalin sorgte für die Isolation der russischen Opposition. Zwischen 1926 und 1930 wurden die Genossen der Linken nach und nach aus der Partei ausgeschlossen und also der faschistischen Repression überlassen oder zur Emigration gezwungen. Die Kampagne gegen die Linke in Italien war vergleichbar mit der gegen Trotzki in der UdSSR, und auch wenn es zwischen den beiden Strömungen Meinungsverschiedenheiten gab, hinderte dies die Linke nicht daran, die russische Opposition in den entscheidenden Jahren 1927 und 1928 zu verteidigen. Bordiga selbst wurde 1930 aus der Partei unter dem Vorwurf des „Trotzkismus“ ausgeschlossen. Mittlerweile, zuerst durch den Verrat des englischen Generalstreiks 1926, dann durch die Unterordnung der Kommunistischen Partei Chinas unter die Nationalisten der Kuomintang während der chinesischen Revolution 1927 (was im Massaker der Kommune von Kanton durch die Nationalisten gipfelte!) vervollständigte der Stalinismus, Ausdruck der aufsteigenden bürgerlichen Kräfte in einer nach dem Ausbleiben der Revolution im Westen isolierten UdSSR, das Überbordwerfen der Prinzipien und des kommunistischen Programms.

1930-40 Bordiga war in Neapel isoliert und wurde ununterbrochen von der Polizei überwacht, die Linke vom Faschismus verfolgt und in die Emigration getrieben. Es begann eine Phase in unserer Geschichte, die man als heroisch bezeichnen kann. Die Linke organisierte sich in Frankreich und Belgien als „Auslandsfraktion“ und publizierte die Zeitschriften „Prometeo“ und „Bilan“ („Bilanz“), mit denen sie ihren politischen Kampf fortsetzte. Die Lage war äusserst schwierig, weil die – wenigen und verstreuten – Genossen an drei Fronten kämpfen mussten: gegen den Faschismus, gegen den Stalinismus, gegen die Demokratie. Und dennoch verurteilten sie die Politik Moskaus (die „Volksfronten“, die der Demokratie gereichte Hand, die fortlaufenden Kapriolen auf der Haut der kämpferischsten Proletarier, den „Hitler-Stalin-Pakt“, die Aufrufe seitens Togliattis „an die [faschistischen] Brüder mit den schwarzen Hemden“), versuchten vergebens darauf hin zu wirken, dass sich, während des Kriegs in Spanien, die schwankenden Gruppen der Linken im klassenkämpferischen Sinne orientierten, kämpften gegen Faschismus und Nationalsozialismus (im besetzten Frankreich gelang es sogar, defätistische Propaganda unter den deutschen Soldaten zu betreiben). Sie unterzogen alle demokratischen Mythen, die die internationale Arbeiterbewegung mehr und mehr verseuchten, der Kritik (beim Ausbruch des Krieges und in den darauffolgenden Jahren verurteilten die internationalistischen Arbeiter dessen imperialistischen Charakter). Nunmehr war klar, dass man sich, mit dem Stalinismus, der schwersten konterrevolutionären Welle gegenübergestellt sah, und die Genossen begannen mit der – aufgrund ihrer extremen Isolation noch unzureichenden – Untersuchung, „was in der UdSSR geschehen ist“. Und ihr zäher Widerstand, ihr hartnäckiger Wille, den „roten Faden“ nicht abreissen zu lassen, erlaubte die Wiederentstehung der Partei im Jahre 1943.

1943-1952 Dank auch der Rückkehr einiger Genossen aus der Emigration begann in Italien die Arbeit des Wiederaufbaus einer echten Organisation. Im Untergrund erschien – seit Ende 1943 – die Zeitschrift „Prometeo“. In der Folgezeit wurden die Kontakte zu Bordiga wiederaufgenommen und revolutionäre Agitation unter den kämpferischen Proletariern entfaltet, die von den (nationalen, antifaschistischen) Widerstandsbewegungen enttäuscht waren, es wurde daraufhin gewirkt, den in den letzten Kriegsjahren ausbrechenden Streiks eine klassenkämpferische Ausrichtung zu geben. Diese Arbeit entwickelte sich im engen Kontakt mit dem Proletariat und zeitigte einige bedeutende Ergebnisse (in verschiedenen Fällen, vor allem in den Fabriken Norditaliens, sind es die Internationalisten, die als Delegierte in die Internen Kommissionen gewählt werden). Schliesslich wird die „Internationalistische Kommunistische Partei“ geboren, mit ihrem Organ „Battaglia Comunista“. Der Zusammenstoss mit den Stalinisten ist offen. Zum selben Zeitpunkt, als Togliatti in seiner Funktion als Justizminister eine Generalamnestie erlässt und die faschistischen Anführer und Handlanger auf freien Fuss setzt, den „neuen Menschen“ und die „wiedererweckte Demokratie“ lobpreisend, denunziert seine Partei die Internationalisten als „Faschisten“ und ruft zu ihrer physischen Liquidierung auf. Auf diese Weise, als Höhepunkt einer belegten Diffamierungskampagne und Aufstachelung zum Mord, wurden die Genossen Fausto Atti und Mario Acquaviva (und andere unbekannte Genossen, über die es uns nicht gelang, mehr herauszufinden) von Stalinisten massakriert. Diese erste Phase der Partei ist noch gezeichnet von den theoretischen Unklarheiten der „Auslandsfraktion“, was 1952 zu Tage tritt, als das Erfordernis, die Gesamtheit der vom Stalinismus zerstörten und entstellten marxistischen Lehre auf klare und monolithische Weise (ohne jegliche oberflächliche aktivistische Eile) wiederherzustellen, zu einer ersten Spaltung führt. Im selben Jahr beginnt daher die Veröffentlichung von „Il Programma Comunista“: auf dessen Seiten Bordiga, bis zu seinem Tode im Jahr 1970, eine enorme Arbeit der theoretischen und politischen Wiederherstellung der Partei leistet, die, Mitte der '60er-Jahre, tatsächlich und nicht nur dem Namen nach international wird. Die Texte „Charakteristische Thesen der Partei“ (1951), „Betrachtungen zur organischen Aktivität der Partei, wenn die allgemeine Lage historisch ungünstig ist“ (1965), „Thesen zur historischen Aufgabe, Aktion und Struktur der kommunistische Weltpartei“ (1965) und „Ergänzende Thesen“ (1966) gaben der Partei dann ihre definitive theoretische, politische und organisatorische Einordnung.

1952 bis heute
In den Jahrzehnten, die folgten, war die Internationalistische Kommunistische Partei (ab Mitte der 60er Jahre Internationale Kommunistische Partei) in unterschiedlichen Ländern mit ihren Zeitungen organisiert (z.B. „il programma comunista“ in Italien und „Kommunistisches Programm“ in Deutschland) und mit dem harten politischen Kampf beschäftigt, um in rigoroser Art und Weise die Analyse der kapitalistischen Realität in all ihren Aspekten (ökonomisch, sozial, ideologisch) fortzuführen und zu entwickeln und dabei auch den russischen sogenannten „Realsozialismus“ als Teil dieser kapitalistischen Realität zu begreifen; aber auch um die proletarischen Kämpfe, die von den Umständen der kapitalistischen Produktionsweise in allen Teilen der Welt entfacht werden, zu begleiten und zu versuchen, sie im Rahmen unserer Kräfte zu leiten – und dabei wie immer Theorie und Praxis dialektisch zu verbinden und unermüdlich zu verteidigen, trotz der enormen Schwierigkeiten, die sich aus dem Andauern (und sich Verschärfen) der Konterrevolution in demokratischem und stalinistischem (oder post-stalinistischem) Gewand ergeben. Diese Schwierigkeiten bestanden wirklich darin (und das konnte nicht anders sein) auf der Basis eines so zähen Weges am Steuerrad zu bleiben, so sehr man auch erschüttert wurde. Die Partei entwickelte in den 60er und 70er Jahren ein beträchtliches internationales Netzwerk, und man bewegte sich zwischen Skylla und Charybdis (um sich einer Redewendung aus der griechischen Mythologie zu bedienen), zwischen zwei schwierigen Extremen: sprich, mit einem Drang und Engagement, das manchmal auch aufopferungsvoll war, aber immer politisch-organisatorische Desaster ankündigte, indem einerseits versucht wurde, die Zeit der Vereinigung mit einer proletarischen Klasse abzukürzen, die noch immer unter dem Gewicht der Konterrevolution plattgedrückt war (Aktivismus) und andererseits dem Versuch, sich in der rein theoretischen Analyse wegzusperren, in Erwartung einer Wiederaufnahme der Klassenkämpfe, die quasi instinktiv und vor allem mechanisch die Klasse dazu bringen würde, „ihre“ Partei zu erkennen (Akademismus). Es war (und wird immer so sein, wie die Geschichte der bolschewistischen Partei und die Arbeit von Marx, Engels und Lenin uns lehren) eine schwierige und gequälte Fahrt, bei der es auch zu Spaltungen kommen musste, wie es sie dann in den Jahren nach 1952 vielfach gegeben hat und die der Ursprung neuer Formationen wurden, die sich mehr oder weniger auf die Kommunistische Linke bezogen, aber von denen uns prinzipielle Punkte und die Parteipraxis trennen, über die wir an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gehen können – bis zur besonders schwerwiegenden Krise von 1981-1983, die Sektionen und Genossen in Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland und anderen Ländern zerstreute. In den folgenden Jahren ist es der Partei mühsam gelungen, aus dieser Krise herauszukommen, indem sie in einer gewaltigen Arbeit verschiedene wichtige Fragen auf den Punkt gebracht hat. Was uns immer charakterisiert hat, ist der Wille, unseren Weg weiterzuführen, indem wir die politischen und eventuell fehlerhaften Knoten unseres Weges analysieren und klären, ohne jemals in personenbezogenen Klatsch, oder schlimmer, in die Praxis von individuellen Prozessen, die der Tradition der Kommunistischen Linken komplett fremd sind, zu verfallen. Wir setzen die Entwicklung unserer Arbeit „in Verbindung mit der Arbeiterklasse, gegen jede personenbezogene und parlamentarische Politik“ fort, in der unbeschwerten Überzeugung, dass wir die Zukunft haben werden und es verstehen werden, sie zu erobern.

Historische und formale Partei

„Einverstanden“ wird unser skeptischer Leser an diesem Punkt sagen, „ihr habt eine lange glorreiche Geschichte, aber ihr seid nur wenige“.

Sicher, wir sind nur wenige und unser gegenwärtiger Einfluss ist nahezu nicht existent; was uns weder überrascht noch erschreckt. Solche Betrachtungen lassen den Fakt unberücksichtigt, dass der Stalinismus die grausamste Konterrevolution war, welche die internationale kommunistische Bewegung erlitten hat. Die verheerenden Auswirkungen waren über sechzig Jahre zu spüren und sie sind es heute noch. In dieser ganzen Zeit wurde die Arbeiterklasse der kapitalistisch entwickelten Länder, dank der Zerstörung der kommunistischen Weltpartei und der theoretischen und praktischen Entwaffnung durch die Arbeit der Konterrevolution, vor den Karren der Demokratie gespannt, definiert als Prinzip einer idyllischen Welt, in der alle Widersprüche letztendlich überwunden und abgeschafft werden können. Sie hat an einem weiteren weltweiten Massaker teilgenommen. Sie kollaborierte beim Nachkriegs-Wiederaufbau, schuf eine beeindruckende Menge Mehrwert (der Boom der 50er Jahre). Aufgrund der abbekommenen Krümel war sie davon überzeugt, dass diese Welt „die beste der möglichen Welten ist“. Sie überlies die farbigen Massen ihrem Schicksal, wohingegen diese gegen das Joch des Imperialismus rebellierten und nach und nach in den „Genuss“ der kapitalistischen Durchdringung kamen. Und jedes Mal wenn sie versuchte, den Weg der Verteidigung ihrer eigenen Interessen als Klasse einzuschlagen, bekam sie die Antwort, dass „die übergeordneten Interessen der nationalen Ökonomie es nicht erlauben“ oder „es die Rechten stärken könnte“ usw. usf.

Es ist offensichtlich, dass unter den Bedingungen, die im letzten halben Jahrhundert den euro-amerikanischen Raum charakterisierten, der revolutionäre Kommunismus Schwierigkeiten hatte, sich auszubreiten. Es gibt eine materielle Barriere, die dem entgegensteht: Art und Weise zu denken, Gewohnheiten, ideologische Einflüsse, Traditionen, Apathie, Illusionen, die Tatsache, dass selbst Arbeitsstellen und Löhne für eine lange Zeit garantiert zu sein schienen... All dies ist für uns Materialisten mehr als verständlich. Dazu kommt, dass die Kommunisten die Erfahrung schon gemacht haben. Nach der Niederlage der Revolutionen von 1848 bestand der Bund der Kommunisten aus einigen wenigen über Europa verteilten Mitglieder. Aber diese „Einsamkeit“ war die Vorbedingung für die Entstehung der 1. Internationalen von 1864. Nach der Pariser Kommune 1871 oblag es Marx und Engels allein, die Lehren aus dem im Blut ertränkten revolutionären Versuch zu ziehen. Aber diese in der Isolation gezogenen Lehren ermöglichten die Wiederentstehung der kommunistischen Bewegung auf einer solideren Basis innerhalb einiger Jahre. Ebenso erging es Lenin und den russischen Marxisten nach der Niederlage der Revolution von 1905, Voraussetzung der Bestätigung des Bolschewismus, des Sieges der Revolution von 1917 und der Entstehung der 3. Internationalen. Nach 1926 war es an der Linken und unserer Partei, dieselbe Erfahrung, sozusagen in direkter Nachfolge, durchzumachen.

Es ist gut nachvollziehbar, dass sich die Partei in der Mitte dieser konterrevolutionären Wellen (und die Letzte, welche die Verheerendste von allen war, verschüttete selbst das ABC des Marxismus) auf einige wenige, von der Mehrheit ignorierte Elemente verkleinerte: es ist sogar normal in der geschichtlichen Entwicklung. Die Partei kann ungünstige Situationen nicht mit einem Zauberstab umwandeln und genauso wenig die Revolution durch einen Willensakt herbeiführen. Der revolutionäre Prozess reift über Jahrzehnte, parallel zur Anhäufung der Widersprüche, welche das kapitalistische System unausweichlich erzeugt. Die Partei muss diesen Prozess begünstigen, organisieren, orientieren sowie theoretisch und praktisch leiten. Dies mag paradox erscheinen, aber die Geschichte zeigt: die Revolution reift in den konterrevolutionären Phasen (wenn die Revolution am wenigsten auf der Tagesordnung steht). Die Vorbereitung ist die Wiederherstellung der Partei, die Verteidigung ihrer Theorien und ihrer Erfahrungen, das Wiederanknüpfen des roten Fadens (den alle durchtrennen wollen) und der Kampf gegen den Strom für die Verbreitung des Kommunistischen Programms. Ohne eine solche Vorbereitung wird es zu keiner Revolution kommen: weil, wenn sich wieder günstige materielle Bedingungen präsentieren werden, würde das notwendige Instrument, das Führungsorgan, d.h. die Partei, fehlen.

Dies ist eine erste wichtige aber nicht ausreichende Lebensbedingung. Nach einem marxistischen Schlüsselkonzept gibt es die „historische Partei“ und die „formelle Partei“. Die historische Partei ist das Ensemble der theoretischen Ausarbeitungen, des Programms, der Thesen und der historischen Erfahrungen des Kommunismus. Sie stammt aus dem Jahre 1848, als das Manifest der Kommunistischen Partei veröffentlicht wurde, und enthält (umfassend und untrennbar, in dem sich alle Teile gegenseitig in organischer Weise integrieren) das Werk von Marx, Engels und Lenin, den politischen Kampf der ersten, zweiten und dritten Internationalen, die Lehren der Pariser Kommune von 1871, der russischen Revolution von 1905, der Oktoberrevolution von 1917, die Erfahrungen der großen Kämpfe im kapitalistischen Westen und im Osten zwischen 1917 und 1927, die von der kommunistischen Linken während eines halben Jahrhunderts produzierten politisch-theoretischen Ausarbeitungen und die Lehren, die sie aus der Konterrevolution zu ziehen wusste. Daraus ergibt sich eine Methode der Interpretation historischer und sozialer Fakten, eine politische Lehre und eine Kampferfahrung: eine Theorie, ein Programm, eine Strategie, eine Taktik, die allesamt das Fundament des Kommunismus konstituieren und worauf sich die zukünftigen Generationen notwendigerweise beziehen müssen.

Und dann existiert die formale Partei. Sie ist sozusagen die Übersetzung des Ensembles von Theorie, Programm, Strategie und Taktik in eine organisierte Struktur, in einen lebendigen Organismus, gemacht von Aktivisten aus Fleisch und Blut, tätig in spezifischen Situationen und damit beschäftigt, den Einflussbereich des Kommunismus zu vergrößern. Es ist diese organisierte Struktur, welche durch die materielle Erneuerung des roten Fadens des Kommunismus die Verschmelzung der Generationen in einer einzigen Kampfperspektive ermöglicht. Aber diese Struktur ist es auch, die in unvermeidlicher Art und Weise von den Höhen und Tiefen des Klassenkampfes, den günstigen wie ungünstigen Momenten, den Siegen wie Niederlagen beeinflusst wird.

Es gibt keinen Bruch zwischen historischer und formaler Partei, davor sollte man sich hüten. Es handelt sich nicht um zwei getrennte und aufeinanderfolgende Momente. Die historische Partei muss dazu tendieren, sich in die formale Partei zu übersetzen, weil der Kommunismus ansonsten eine Worthülse bleibt; die formale Partei muss sich mit der historischen Partei identifizieren, weil sie ansonsten kommunistischer Theorie, Programm, Strategie und Taktik beraubt wäre, und nur das sie charakterisieren kann. Die gesamte Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung ist am Ende die Geschichte des schwierigen und fesselnden Prozesses, durch den die historische Partei zur formalen Partei wird, die Theorie wird Praxis, und schafft eine lebendige und kämpferische Organisation. In gegebenen Phasen kann sich die formale Partei auch auf wenige Elemente reduzieren, die quasi von realem Einfluss auf der historischen Szene beraubt sind. Aber es ist lebensnotwendig, dass diese wenigen Elemente mit all ihren Kräften die historische Partei verteidigen und versuchen, sie in der Realität lebendig zu halten. Dabei ist es unwichtig, ob sie von der großen Mehrheit verspottet oder nicht gehört werden, sondern wichtig ist, dass sie möglichst daran arbeiten, den eigenen Einflussbereich auf internationaler Ebene auszuweiten. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass mit dem Eintreten von günstigen objektiven Bedingungen (und der Zyklus der kapitalistischen Ökonomie kann nicht anders, als diese fortlaufend zu produzieren, aufgrund der internen Widersprüche, die ihr angeboren sind) der Kommunismus dann eine zahlreichere Gefolgschaft finden kann.

Im Verlauf der Phase nach dem 2. Weltkrieg hat sich unsere Partei darin wiedergefunden, für die Verteidigung der historischen Partei zu kämpfen, ohne jemals damit aufzuhören, die formale Partei in der kapitalistischen Gesellschaft am Leben zu halten: egal wie klein, egal wie isoliert. Wir wissen, dass unser Kampf (der eine komplette Umwälzung der gängigen Art und Weise bedeutet, die Phänomene der Gesellschaft zu verstehen) fundamental gewesen ist, damit morgen die wenigen von heute immer mehr werden können. Unsere Partei hat ihn in der sicherlich ungünstigsten und schwierigsten Periode geführt und das ist der Grund, weswegen ihre Geschichte auch so mühselig gewesen ist. Die konterrevolutionäre Periode ist der Luft des Klassenkampfes beraubt und lastet deshalb wie ein Blei auf der Partei und nährt von Zeit zu Zeit Illusionen und Enttäuschungen. Und so muss sich die kleine Partei sowohl vor der desaströsen Versuchung hüten, sich auf eine kleine Sekte von Akademikern zu reduzieren, die nur die Absicht verfolgt, rein intern zu diskutieren, als auch vor der einfachen Illusion, dass es reichen würde, in irgendeiner historischen Phase die Aktivitäten tausendfach zu multiplizieren, um den Einfluss in der Arbeiterklasse auszubauen.

Warum die Arbeiterklasse

„All das Gerede von der Arbeiterklasse! Aber die Arbeiterklasse existiert nicht mehr... mit der mikroelektronischen Revolution ist sie verschwunden! Ist es möglich, dass ihr das nicht mitbekommen habt?“

Wir bitten den skeptischen Leser, zuerst die Realität besser zu studieren, bevor er den Mund öffnet, um zu vermeiden, dass er die vier Standardsätze des neuesten „Experten“, die er in irgendeiner Zeitung gelesen hat, wie ein Papagei auswendig nachplappert.

Diese echte Täuschung des „Verschwindens der Arbeiterklasse“ (oder ihrer „Integration“) ist keine Erfindung von heute. Sie wurde bereits in den 40ern von einer größeren Anzahl amerikanischer Soziologen behauptet, das haben in den 60ern die angesagten „Denker“ wie Marcuse & Co. wieder aufgegriffen, und es ist das tägliche (aber altbackene) Brot einer größeren Menge von „linksextremen“ Gruppierungen der 70er Jahre geworden. Und letztendlich steht dies auf der Grundlage derselben bürgerlichen Ideologie, die von Beginn an behauptet hat, die Teilung in Klassen abgeschafft zu haben und diese als für den Feudalismus typisch und exklusiv betrachtet hat. Es ist deshalb keine Überraschung, dass man auch heute darüber stolpert. Wir sehen ein wenig besser, wie die Dinge heute stehen.

Wenn wir sagen, dass dieses „Verschwinden der Arbeiterklasse“ eine Täuschung ist, machen wir dies sowohl auf Basis der Theorie als auch auf Basis aktueller Betrachtungen. In der Theorie (offensichtlicher Weise in sehr zusammengefasster Form): im Herzen des ökonomisch-kapitalistischen Mechanismus steht die Produktion für den Profit – ohne Profit würde die kapitalistische Ökonomie in sich selber zusammenfallen (und in der Tat, mit der Entdeckung des tendenziellen Falls der Profitrate hat Marx die Achillesverse des Kapitalismus gefunden: diese, die unvermeidlich seinen Tod bedeutet).

Nun, dieser Profit generiert sich durch die Extrahierung des Mehrwertes aus der lebendigen Arbeit: das bedeutet, den Arbeiter eine gewisse Anzahl arbeiten zu lassen, aber ihm nur einen Teil davon zu bezahlen (noch einmal: die Fragen sind sehr komplex, und der skeptische Leser, der dazu entschlossen ist, dies verstehen zu wollen, kann diese mit Texten wie „Lohnarbeit und Kapital“, „Lohn, Preis und Profit“ und noch weiter natürlich mit dem „Kapital“ vertiefen). Das bedeutet, dass das Kapital niemals auf die menschliche Arbeit verzichten können wird, gerade weil der Mehrwert nicht aus einer Maschine extrahiert werden kann. Besonders hier befindet sich ein weiterer großer Widerspruch des Kapitals: es muss Maschinen mit dem Zweck einführen, die Produktion zu erhöhen, aber es kann sie an einem gewissen Punkt nicht weiter einführen, weil sich sonst in drastischer Weise die Quelle des Profits reduzieren würde.

Die Tendenz zur Maschinisierung ist in der Geschichte des Kapitals also konstant (siehe das Kapital, Buch 1, Sektion 4, Kapitel 13), aber ändert nicht den zentralen Mechanismus seiner Wirkungsweise (und kann ihn nicht ersetzen): die Extrahierung des Mehrwertes aus der lebendigen Arbeit, die Ausbeutung einer Arbeiterklasse, die für das Kapital schließlich notwendig bleibt. Und das gilt sowohl für die „traditionelle“ Arbeiterklasse (der „Blaumann“) als auch für jene neue Technikerschicht (die „Weißkittel“), die auch Produzenten von Mehrwert durch unbezahlte Arbeit sind. Ob nun ein Individuum unter dem rötlichen Leuchten und dem höllischem Lärm einer Gießerei oder in der sterilen Reinheit eines Labors zur Produktion von Chips und Glasfaserkabeln arbeitet, ändert nichts an seinem Verhältnis zum Kapital. Und, von seiner Seite aus, kann das Kapital niemals die Arbeiterklasse eliminieren, weil es an sie gebunden ist wie der Galgenbaum an den Strick.

Das soweit zur Theorie. Wenn wir dann zu den aktuellen Betrachtungen kommen, haben wir nichts anderes als Bestätigungen. Es reicht in der Tat sich umzuschauen, um das beeindruckende Anwachsen der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt wahrzunehmen. Man redet viel von der „Globalisierung der Märkte“: und was ist diese „Globalisierung“, wenn nicht die Durchdringung und Behauptung des kapitalistischen Systems in jede Ecke des Planeten und als Folge das Entstehen und Anwachsen einer Arbeiterklasse, extrem ausgebeutet und extrem entrechtet, in Asien, Afrika, Lateinamerika? Es gibt dauernd Meldungen über tragische Fabrikbrände in China, Taiwan, Hongkong, von Streiks in Korea, Zaire, Südafrika, die blutig niedergeschlagen werden: was ist das, wenn nicht ein dramatischer Beweis dafür, dass die Arbeiterklasse, weit davon entfernt zu verschwinden, sich stattdessen auch in Gebieten gebildet und multipliziert hat, die bis vor wenigen Jahrzehnten nicht vom unaufhaltsamen Vorrücken der Waren und des Kapitals tangiert waren? Und was sind die enormen Migrationsströme, die den guten Bürgern und Kleinbürgern so viele Kopfzerbrechen bescheren, wenn nicht die Demonstration des Anwachsens von einer Population reiner Proletarier auf weltweitem Niveau, sprich von Arbeitskräften, die nur auf die künftige Arbeit der Kinder zählen können, des Nachwuchses, um darauf hoffen zu können, zumindest schlecht überleben zu können (und man könnte hier auf die Überbevölkerung abschweifen, ein weiterer Alptraum für die guten Bürger und Kleinbürger, für uns eine weitere Demonstration der unüberwindbaren Widersprüche eines Kapitalismus, der in einem festen Rhythmus Arbeitskraft erschaffen muss, die historisch dazu bestimmt sind, ihn zu besiegen).

Noch einmal: was ist das Drama der Erwerbslosigkeit, nicht nur stagnierend sondern ansteigend, wenn nicht der Beweis, im negativen Sinne, der sehr realen, sehr konkreten Existenz einer Arbeiterklasse in den typischen Metropolen des alten Kapitalismus wie den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan – sprich dort, wo die bürgerliche Ideologie die frohe Botschaft vom „Verschwinden der Arbeiterklasse“ heraus posaunt (und die Einfaltspinsel trinken sich mit geschlossenen Augen die Birne voll)?

In der Realität haben wir in den letzten 50 Jahren auf der einen Seite ein eindrucksvolles Gesamtwachstum von einer absolut notleidenden Klasse gesehen, von echten Proletariern, und auf der anderen einen akuten Prozess von Proletarisierung, besonders in den kapitalistisch fortgeschrittenen Festungen (die Ghettos, die Banlieus, die Bidonvilles). Anstatt sich auszudünnen, haben sich die Reihen dieser weltweiten Arbeiterklasse also nichts anderes als vergrößert.

„Aber ihr könnt nicht negieren, dass ein Prozess der Deindustrialisierung im Gange ist!“ Sicher, aber Vorsicht: die Deindustrialisierung einiger Gebiete (man muss gut aufpassen: einiger!) hat nichts mit der Sichtweise der eigentümlichen Theorien des Post-Industrialismus oder des Post-Kapitalismus zu tun. Es handelt sich um ein Phänomen, das nur in seiner Dynamik analysiert werden kann: nämlich zu verstehen, dass es sich ganz einfach um die Notwendigkeit von Seiten des Kapitals handelt, weiterzugehen und die Bedingungen der besten Ausbeutung der Arbeitskraft zu suchen also der günstigsten Extrahierung von Mehrwert. Schließlich: wenn die Fabriken aus Detroit verschwinden, dann nur weil sie wieder in der Grenzzone von Mexiko auftauchen; wenn die „großen Fabriken“ demontiert werden, dann nur weil dutzende kleinerer Fabriken in den peripheren Gebieten entstehen... Gegenüber der ökonomischen Krise restrukturiert sich das Kapital in der Art und Weise

  1. Situationen mit großem Konfliktpotential bedingt durch die Konzentration von kämpferischer Arbeitskraft zu vermeiden,
  2. eine jüngere Arbeitskraft zur Verfügung zu haben, unerfahrener, hungriger, erpressbarer.

Aber es handelt sich immerhin um ein zyklisches Phänomen: die Zerstreuung transformiert sich anschließend in Konzentration, weil das Kapital hierauf „genetisch“ orientiert ist.

Nun, es gibt keinen Zweifel daran (und indem wir das sagen, nehmen wir sofort den Einwand des skeptischen Lesers vorweg), dass gegenüber dieser gewaltigen Ausbreitung des weltweiten Proletariats, ihm das Bewusstsein fehlt, eine Klasse zu sein, gemeinsame Interessen zu haben – sowohl unmittelbar als auch historisch. Aber Vorsicht! Die Tatsache, dass der Marxismus im Proletariat die revolutionäre Klasse aufzeigt, die dazu bestimmt ist, den Kapitalismus zu beerdigen und die Pforten einer klassenlosen Gesellschaft zu öffnen, bedeutet nicht, dass das Proletariat automatisch, immer und auf jeden Fall revolutionär wäre. Das ist eine weitere Täuschung, die wir gerne den Stalinisten und Operaisten überlassen, beides Demagogen.

Der Charakter der „revolutionären Klasse“ des Proletariats wird ihm verliehen durch die Stellung innerhalb des Produktionsprozesses. Das Proletariat ist das Herzstück des Mechanismus der Extrahierung des Mehrwertes und neben ihm gibt es keine anderen Klassen zum Ausbeuten. Indem es sich erhebt, stellt es jedoch dieses Gerüst der Gesellschaft des Kapitals in Frage. Indem es sich selbst befreit, befreit es die gesamte Menschheit. In allen vorhergehenden Revolutionen, die den Übergang von einer Produktionsweise in eine andere markiert haben (die gegen die Sklavenhaltergesellschaft, die antifeudale), hatte die Klasse der Protagonisten der Revolution neben sich andere Klassen – die dazu bestimmt waren, einmal den revolutionären Bruch und den Übergang zu einer neuen Produktionsweise zu verwirklichen, die „unterdrückenden Klassen“, die „ausbeutenden Klassen“ zu werden. Mit der Bourgeoisie und dem Proletariat sind wir am Ende der langen Zeitspanne angekommen, die sich durch die Teilung der Gesellschaft in Klassen ausgezeichnet hat: das Proletariat, die aktuell ausgebeutete Klasse, hat neben sich keine andere Klasse, über die sie die eigene Ausbeutung ausüben könnte (in der Zukunft, wenn sie eines Tages siegreich ist). Die neue Gesellschaft, die entstehen muss, deren Voraussetzungen schon reif sind und deren Verspätung Geburtswehen produziert, die einer Agonie gleichen, wird keine Teilung in Klassen mehr kennen und deshalb auch keine ausgebeuteten Klassen.

Sicher, es existiert ein subjektives Problem. In der außerordentlichen Mehrheit fühlt sich die heutige Arbeiterklasse nicht als Klasse (sowohl die relativ gut sozial abgesicherte in den großen kapitalistischen Metropolen als auch die dramatisch ausgebeutete in den jungen kapitalistischen Ländern), sie bewegt sich nicht auf ihre historischen Ziele zu. Im Gegenteil kann man sagen, dass sie sich meistens überhaupt nicht bewegt: sie erduldet die Ausbeutung, ohne sich zu erheben. Aber das verblüfft uns nicht. Es ist ein politisches Problem, das genau mit Demokratie und Stalinismus zusammenhängt – um zu sagen, mit den Auswirkungen der schwerwiegendsten Konterrevolution der Geschichte der Arbeiter- und kommunistischen Bewegung. Und ein politisches Problem, das mit der Zerstörung der revolutionären Partei auf weltweitem Niveau zusammenhängt: sprich, mit dem Faktor des Bewusstseins und Willens, der Theorie und Aktion, worauf der Marxismus von Anfang an als unverzichtbare Bedingung für die Entwicklung des revolutionären Prozesses verwiesen hat und die alle revolutionären Klassen der Vergangenheit notwendigerweise als Führung gehabt haben.

Ohne ihre revolutionäre Partei (und das soll heißen: ohne ihr politisches revolutionäres Programm, ohne ihr „Bewusstsein von sich als Klasse“) ist die Klasse nichts: nur eine statistische Gesamtheit von Individuen, in der großen Mehrheit unfähig, auf die Höhe der eigenen historischen Mission emporzusteigen. Und es ist besonders die aktuelle historische Situation, die uns dies in dramatischer Weise zeigt.

Und deshalb führt der Weg zum Kommunismus notwendigerweise zum Wiederaufbau der revolutionären Partei.

Was bedeutet Kommunismus?

„Sicher, aber nach der Erfahrung des Ostblockes ist es heute schwierig, von Kommunismus zu reden“, wird unser skeptischer Leser etwas trostlos kommentieren.

Wir können das verstehen. Heute von „Kommunismus“ zu reden, bedeutet vor allem die Vorstellungen komplett umzukrempeln, die mehr als ein halbes Jahrhundert lang unter dem Einfluss der stalinistischen Propaganda, des opportunistisch-reformistisch-sozialdemokratischen Geschwätzes, also von der bürgerlichen Ideologie verbreitet wurden. Das bedeutet, die Lüge vom „Sozialismus in einem Land“, vom „Realsozialismus“ zu demaskieren. Wir versuchen, einige grundlegende Konzepte zusammenzufassen.

Der Kommunismus in der UdSSR (und anderswo) ist nicht gestorben, aus dem einfachen Grund, dass er in der UdSSR (und den anderen Staaten) ökonomisch niemals entstanden ist. Kommunismus bedeutet die Abschaffung der Lohnarbeit, der Waren, des Geldes, des Profites, des ökonomischen Wettbewerbes, der sozialen Klassen, des Staates. Während hingegen in der UdSSR und Co. die Lohnarbeit (die Arbeiter erhielten eine Bezahlung), das Geld (als Ware zum Austausch), der Profit (die Betriebe und Kooperativen mussten ihre Bilanzen positiv abschließen), der ökonomische Wettbewerb (es gab einen Binnenmarkt und eine wachsende Öffnung zum Weltmarkt), klar unterschiedliche soziale Klassen und ein sowohl nach innen wie nach außen gerüsteter Staat existierten.

Wenn man sich vor 1989 (sprich vor dem Fall der Berliner Mauer, mit all den dramatischen Konsequenzen) die sogenannten „beiden Teile der modernen Welt“ mit marxistischen Augen angeschaut hat (also ohne sich durch die tragische Lüge täuschen zu lassen), wäre einem hier eine fundamentale Ähnlichkeit zwischen der Funktionsweise und den Resultaten dieser beiden Teile aufgefallen, die als zwei unterschiedliche Systeme definiert wurden. Auf beiden Seiten breiteten sich die Städte aus und verwandelten die Landschaften in Einöden, die Produktion von Atomwaffen und Panzern fand zu Lasten der Versorgung enormer menschlicher Massen statt, es entwickelte sich die Konkurrenz zwischen den Arbeitern, die Lohnarbeit, die Entfremdung und der Despotismus der Fabrik. Auf beiden Seiten wüteten die Anarchie des Marktes, periodische Krisen, der riesige staatliche Appetit und die Plünderungs- und Unterdrückungskriege, eine Anhäufung des Reichtums am einen Pol der Gesellschaft und die des Elends am anderen, das Aufeinanderstoßen der Interessen der entgegengesetzten Klassen, die maßlose Aufblähung der Staatsmaschine, Bürokratie und Polizei wurden immer mehr zu exklusiven Repräsentanten der herrschenden Klasse. Gab es bei all dem Kommunismus? Lass uns ehrlich bleiben!

Was war nun aber die UdSSR? Für die internationalistischen Kommunisten war die Antwort immer klar. In der UdSSR, unter Stalin und seinen Nachfolgern, hat kein Kommunismus sondern Kapitalismus geherrscht, in großem Maße Staatskapitalismus, in einer ganzen Reihe von Sektoren zentral verwaltet (während in anderen Sektoren, vor allem in der Landwirtschaft noch diverse Formen der Kleinproduktion existierten, sogar auch vorkapitalistische). In der UdSSR machte man deshalb das, was jedes bürgerliche Regime in der Zeit seiner „ursprünglichen Akkumulation“ gemacht und dann immer weiter „vergrößert“ hat: die ökonomischen Bedingungen für eine kapitalistische Entwicklung auf großer Stufe durch die zentrale Intervention des Staates zu schaffen. Für Lenin und die Kommunisten war all das sehr klar: nach der Revolution von 1917 musste die politische diktatorische proletarische Macht die gigantische historische Aufgabe übernehmen, das Land aus der ökonomischen Rückständigkeit herauszuführen und dadurch die Basis für den Kommunismus zu schaffen (um zu sagen, eine vollständig entwickelte kapitalistische Ökonomie: Expansion der großen Industrie, Entwicklung des Eisenbahnnetzes, Förderung der landwirtschaftlichen Kooperation auf großer Ebene, Elektrifizierung usw.), in Erwartung, dass die kommunistische Revolution im ökonomisch entwickelten Westen explodieren und siegen würde. Das waren die Bedingungen des Sieges des Kommunismus auf internationaler Ebene.

Aber die Revolution im Westen kam nicht aufgrund der Unfähigkeit einer ganzen Reihe von Parteien (und, an einem bestimmten Punkt, aufgrund der Unfähigkeit der Kommunistischen Internationale selber), sich in einer wirklich revolutionären Front aufzustellen, und die Oktoberrevolution (zerquetscht zwischen der Verspätung des Westens und dem notwendigen Auftauchen der ökonomisch-kapitalistischen Formen in Russland) war auf sich selbst zurückgeworfen. Die stalinistische Konterrevolution, wirklicher Ausdruck des jungen russischen Kapitalismus, kehrte schließlich diese mächtige strategische Vision um: sie zerstörte die Partei von Lenin sowohl physisch als auch theoretisch, proklamierte „Sozialismus“ als das, was in Wirklichkeit „kapitalistische Akkumulation“ war, theoretisierte die Möglichkeit, „Sozialismus in einem Land“ zu konstruieren. Das war die große, tragische Täuschung: und nicht nur die überzeugten Stalinisten waren vom Kopf bis zu den Füßen von dieser Täuschung infiziert (die das Blut von Millionen und Abermillionen von Personen gekostet hat), sondern auch all die Demokraten und Faschisten, die dem Stalinismus den Segen gegeben haben, dies „Kommunismus“ zu nennen.

„Aber, nun, was ist zwischen 1989 und heute passiert?“. Was passiert ist, ist dass diese kapitalistische Form, die die sowjetische Szene und die ihrer Satellitenländer dominiert hat, an einem bestimmten Punkt ihrer Geschichte ihre eigene Funktion erfüllt hat. Im Gegenteil sogar: sie ist ein Hindernis geworden, besonders in Gegenwart der weltweiten ökonomischen Krise, die sich Mitte der 70er geöffnet hatte, und die schon Ende der 70er damit begonnen hatte, die UdSSR zu treffen. Es wurde notwendig, den unter dem Staatsprotektionismus angehäuften Energien freien Lauf auf die ökonomischen Subjekte zu lassen, die bis dahin wie in einem Gewächshaus gehegt wurden und sich nun eigenständig entwickeln mussten, ohne zentrale Fesseln oder Zwänge. Hier also der „Bruch“ mit der Phase und der vorhergehenden Form – ein „Bruch“, den, noch einmal, alle bürgerlichen Länder in ihrer Geschichte vollzogen haben: von einer zentralisierten staatlichen Verwaltung zu einer des sogenannten freien Marktes (um dann zum Staatsdirigismus zurückzukehren, wenn die ökonomisch-soziale Situation dies erfordert: man denke an den Faschismus).

Aber, nun, was soll „Kommunismus“ wirklich bedeuten? Es war nicht der Marxismus, der den Charakter der kommunistischen Gesellschaft entdeckt hat. Schon vor seiner Zeit bedeutete „Kommunismus“ eine „Gütergemeinschaft“: sprich, er vergemeinschaftete die gesellschaftlichen Reichtümer und die rationale Administration einer Gesellschaft, die weder den Markt, Lohnarbeit, Kapital noch soziale Klasse kannte. Darüber hinaus verging eine ganze Phase der menschlichen Erfahrung, die im Zeichen eines „primitiven Kommunismus“ stattfand (und daher beschränkt und abhängig von einem sehr niedrigen Entwicklungsniveau der Produktivkräfte): gemeinschaftliche Arbeit auf dem gemeinschaftlichen Acker und gemeinschaftlicher Genuss der Produkte von dieser Arbeit, wie dies schon in den Anfängen der menschlichen Vorgeschichte stattfand, vor dem Erscheinen der Klassen, der Teilung der Arbeit, des Privateigentums.

Der Marxismus hat den Kommunismus von seinem utopischen Ballast befreit um ihn nicht mehr als Produkt des Willens und der Träume (die famosen „Pläne“ der Utopisten Fourier, Saint Simon, Owen), sondern als notwendige Errungenschaft der realen Bewegung der Gesellschaft zu präsentieren. Der Kapitalismus treibt in der Tat die Teilung der Arbeit immer weiter voran und trennt den Arbeiter komplett von den Arbeitsmitteln (Werkzeuge, Maschinen) und von den Subsistenzmitteln (Lebensmittel und Unterkunft). Der Arbeiter wurde jemand, der ums tägliche Überleben kämpfen muss (man denke heute an die enormen Massen von verarmten Afrikanern und Asiaten, die in den Strudel des Prozesses der Kapitalisierung dieser Gebiete gerissen werden!), der sich nun durch den Markt schlagen muss, um seine Subsistenzmittel zu kaufen. Um dies machen zu können, muss er seine eigene Arbeitskraft an den Kapitalisten verkaufen, der sich die Produktionsmittel gesichert hat (und der auch als nicht physische Person existieren kann: es kann eine anonyme Gesellschaft oder ein Staat sein) und der, indem er das Produkt der Arbeit besitzt, den Großteil des von den Arbeitern geschaffenen Reichtums in die eigene Tasche steckt; Reichtum, von dem die Arbeiter also legal beraubt werden. Mehr noch, der Proletarier kann seine Familie nur in dem Maße am Leben halten, in welchem seine Hände weiterhin nützlich fürs Kapital sind (man denke an wahre gesellschaftliche Übel wie Kinderarbeit, Flucht, Prostitution).

Dieses soziale Verhältnis lässt die großen Massen in ein immer dunkleres Elend abstürzen. Aber, indem es die Produktivität der Arbeit stark erhöht und alle produktiven Einheiten auf weltweiter Ebene miteinander verbindet und konzentriert, schafft es auch die Bedingungen (aber nur die Bedingungen), um die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen und die produzierten Reichtümer einheitlich und weltweit zu verwalten. Deshalb geht es nicht darum, Sozialismus zu „konstruieren“, (wie man es mit Lego-Steinchen machen würde), sondern darum, die Aneignung der Reichtümer (die heute privat ist) an dem schon gesellschaftlichen Charakter (schon kollektiv, schon gemeinschaftlich) ihrer Produktion auszurichten.

Vor allem, und das ist die wichtigste Sache, während die Utopisten den Kommunismus „einführen“ wollten, indem sie die Heilsbotschaft predigten und sich damit an die Regierungen und die erleuchteten Unternehmer richteten, zeigt der Marxismus, dass der Kapitalismus selbst seine Totengräber produziert. Er schuf mit dem modernen Proletariat eine Klasse, die vom Kapital selber konzentriert und vereinheitlicht wird und die dazu gezwungen ist zu kämpfen, um zu überleben; die einzige Klasse, die, seit die in Klassen geteilte Gesellschaft auf der Bildfläche erschienen ist, unter sich keine anderen Klassen zum Ausbeuten hat und die deshalb, indem sie sich selbst befreit, nichts anderes machen kann, als die gesamte Menschheit zu befreien – die Kraft, schließlich, die in der Lage ist, die Geburt der neuen Gesellschaft zu gewährleisten, schmerzhaft und traumatisch wie alle Geburten.

Um dahin zu kommen, muss der Kampf der modernen Arbeiterklasse, durchgeführt unter der Leitung der kommunistischen Partei (ausgestattet mit einem weltweiten Programm und einer Strategie), bis zur Eroberung der politischen Macht vorstoßen. Das Proletariat wird dann seine Klassendiktatur errichten, für die notwendige Zeit, um jeglichen Versuch von Opposition der besiegten und bereits überflüssigen Klassen mit Terror niederzuschlagen, um in den eigenen Händen die Produktions- und Tauschmittel zu konzentrieren, um die existierenden Produktionsverhältnisse zu sprengen, um die jahrhundertalten Trägheiten und Gewohnheiten zu beseitigen.

Natürlich, die kommunistische Transformation der Gesellschaft wird im Großen nur zu verwirklichen sein, wenn die internationale Macht des Proletariats konsolidiert sein wird durch einen entschiedenen Sieg in den großen imperialistischen Festungen, wirkliche Zentren der weltweiten Ökonomie und Gendarmen des Planeten. Und ebenso wird natürlich eine gewisse Zeitperiode notwendig sein, damit sich aus den Trümmern der alten Gesellschaft eine neue menschliche Generation unter kommunistischen Bedingungen entwickeln kann.

Und dies ist das Ziel der Kampfbewegung, die sich „Kommunismus“ nennt und die nicht auf einer „Meinung unter vielen“, auf einem „kulturellen Projekt“, auf „ethischem Elan“ basiert. Die spießigen Banalitäten einer „größeren sozialen Gerechtigkeit“, einer „besseren Lebensqualität“, einer „anderen Verteilung des Reichtums“ spielen keine Rolle: alles rhetorische Phrasen, die die Dinge exakt so lassen, wie sie sind, weil sie niemals die tiefgreifende Natur des kapitalistischen Systems anrühren. Entscheidend ist der historische Übergang von einer Produktionsweise in eine andere, wie dies beim Übergang von der Sklavenhaltergesellschaft zum Feudalismus und vom Feudalismus zum Kapitalismus passierte: aber mit dem substantiellen Unterschied, dass der Kommunismus, indem er die Teilung in Klassen abschafft, die Menschheit tatsächlich aus der Vorgeschichte der Ausbeutung, der Unterdrückung, der Zerstörung herausführt.

In der Gesellschaft, die sich durch diese Transformierung (eine Transformierung, die – wir wiederholen dies – radikal, total ist und nicht eine vergilbte Fotokopie des vorhergehenden Systems!) entwickeln wird, wird bereits jegliche Form von Diktatur nutzlos sein, jegliche staatlich-politische Macht, weil die ökonomischen Grundlagen der Differenzierung in soziale Klassen verschwunden sein werden. Aber, während der revolutionären Krise, werden die Machtübernahme, die proletarische Diktatur klare und direkte Einschnitte sein. Die Änderungen ökonomisch-sozialer Art sind notwendigerweise langsamer und müssen einer Reihe von besonderen Situationen Rechnung tragen (zum Beispiel die Unterschiedlichkeit des Entwicklungsstadiums der Produktivkräfte). Deshalb wird im frühen Kommunismus oder Sozialismus noch ein gewisser Grad gesellschaftlichen Zwangs existieren, der sich vor allem in der Regel ausdrückt: „Für jeden entsprechend seiner Arbeit“. Der falsche „Realsozialismus“ von gestern beanspruchte, diese Regel in der Lohnarbeit verwirklicht zu haben (also in einem Austausch „Ware gegen Ware“). Der „frühe Kommunismus“ sieht stattdessen die Einführung von Arbeitsscheinen vor, ein Beleg, der ein Recht auf die produzierten Güter darstellt, proportional zur durch jeden Produzenten effektiv geleisteten Arbeit (abzüglich der Ressourcen, die darauf gerichtet sind, allgemeine gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen), und die kein Geld sind, weil sie weder gespart noch akkumuliert werden können, „kein Zirkulieren“ (wie es stattdessen das Geld macht).

Nur wenn man in ausreichender Menge produzieren wird, wird jeglicher sozialer Zwang und die Gesellschaft verschwinden, indem man in den höheren Kommunismus übergeht, wird man auf seine Fahne schreiben können: „Jeden nach seinen Fähigkeiten, allen nach ihren Bedürfnissen“. Nicht länger den blinden ökonomischen Gesetzen unterworfen, die aus der Anarchie des Marktes entspringen, wird die Menschheit nicht nur den Krisen, den Vernichtungskriegen, dem nationalen Hass ein Ende bereiten. Befreit von der Unterdrückung des Produzierens für den Profit, des Wettbewerbes für die Märkte, der Produktion der Produktion willens, wird sie die weltweite Produktion in bewusster Weise organisieren können, nach einem rationalen Plan, der die Verhältnisse zwischen Produktion, Konsum und Population schließlich harmonisch regulieren wird, die heute durch das grenzenlose Aufblähen des Kapitalismus immer stärker durcheinander geraten.

Sie wird im besonderen ihre Kräfte wirksam dazu verwenden, um das entscheidende Problem der Landwirtschaft und der Ernährung zu lösen, Sektoren, die durch den Kapitalismus rücksichtslos vernachlässigt wurden, aus dem einfachen Grund, dass hier der Profit zu gering ist. Damit dies gelingt, wird die Industrie der „entwickelten“ Länder, konstruiert mit dem Schweiß und Blut von Generationen aus allen Kontinenten, ohne Verzögerung in den Dienst der Modernisierung der Landwirtschaft der „rückständigen“ Länder gestellt werden, ohne Gegenleistung (was im Kapitalismus unvorstellbar ist!). Das wird kraftvoll dazu beitragen, den Graben zu füllen, den der Imperialismus zwischen den verschiedenen Nationalitäten geschaffen hat und die freie internationale Vereinigung fördern: der Schmelztiegel, aus welchem die endlich vereinigte Menschheit entstehen wird.

Nicht mehr durch externe Kräfte und die kapitalistischen Feinde beherrscht, sondern bereits Herr des eigenen Schicksals wird die kommunistische Gesellschaft auf der einen Seite im Stande sein, auch die außergewöhnlichen Kräfte zu beherrschen, die die moderne Wissenschaft der Natur abgerungen hat (aber die in den Händen des Kapitals häufig sehr gefährlich werden), auf der anderen Seite wird sie endgültig die Angst, die Unwissenheit, die Religion überwinden können.

Indem die Produktion rational wird, wird die heute verübte Ausplünderung und die Zerstörung der Natur enden, und die Teilung zwischen Stadt und Land wird Schritt für Schritt überwunden werden können durch eine gleichmäßige Aufteilung der produktiven Aktivität über die gesamte Erdoberfläche, die somit dank dieser zwei Faktoren die Bedrohung der Umweltverschmutzung jeglicher Art eliminieren wird. Es wird darüber hinaus die furchtbare Verschwendung menschlicher Ressourcen enden, weil die Menschheit nicht mehr Arbeitskraft für das Kapital sein wird und die Produktion wird in den Dienst der Bedürfnisse der Menschheit gestellt werden können. Mit dem Ende des Kapitals und des Lohnsystems und somit auch mit dem Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wird nicht nur die Alternative zwischen Verrohung der Arbeit und wachsender Erwerbslosigkeit zerstört werden. Der Kommunismus wird tatsächlich die gesamte Bevölkerung an der gesellschaftlichen Arbeit beteiligen im Maße der Fähigkeit von jedem, und die unterschiedliche Kräfte berücksichtigen – entsprechend dem Alter und unter Ausschluss der Kinder und Kranken. Die Gesellschaft wird also – dank der Ausbreitung der moderneren Verfahren, losgerissen vom Monopol des Privateigentums und durch die Eliminierung der gefährlichen und nutzlosen Aktivitäten (von der Herstellung der Waffen für die Polizei bis zur doppelten Buchführung) – die Arbeitszeit radikal vermindern können, bis auf das gerade Nötige: vielleicht weniger als zwei Stunden am Tag auf weltweiter Ebene, auf Basis der aktuellen Technologie.

Zu diesen Maßnahmen, die die proletarische Diktatur schon ins Zentrum ihres Programms stellt, kommt die Beseitigung der Gegensätze zwischen Schule und Produktion hinzu und setzt so einen Schlusspunkt unter das dumme Gefasel, das heute für das non plus ultra der Kultur gilt. Auf die selbe Weise wird die komplette Vergesellschaftung von Hausarbeit eingeführt werden, vom Putzen bis zur Erziehung der Kinder, was die Frauen endgültig aus der tausendjährigen Sklaverei und aus der Opferrolle der sozialen Unterlegenheit herausreißen wird.

Diese Revolutionierungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen werden die Basis des Antagonismus zwischen den Geschlechtern und den Generationen abschaffen, der besonders unter dem Kapitalismus unerträglich ist; und, auf seine Weise, werden sie die Verhältnisse zwischen kollektivem Leben und „privatem“ Leben (welche heute schon nur noch existieren, um täglich mit Füßen getreten zu werden, oder um in Einsamkeit und individuellem Elend zu enden) komplett transformieren. Auch die Verhältnisse zwischen Unterhaltung und Arbeit werden radikal transformiert werden, und die Generationen, die frei von den kapitalistischen Verhältnissen entstehen werden, werden sich wirklich anderen wichtigen Fragen widmen können, da sie diesmal die Mittel haben, sie zu lösen. Insbesondere die drastische Reduzierung der Arbeitszeit wird sich nicht darauf beschränken, die Menschheit von der Anstrengung und den Krankheiten zu befreien, die durch das zügellose Rennen nach Profit verursacht werden, sondern wird es allen Produzenten erlauben, an intellektuellen Aktivitäten teilzunehmen, egal ob es sich um Naturwissenschaften, um das soziale Leben, um Literatur und Kunst handelt, die dazu zurückkommen werden, eine kollektive Dimension zu erreichen, die sie bereits am Anfang der menschlichen Vorgeschichte hatten. Es werden dann die Bedingungen realisiert werden, um endgültig die Teilung zwischen Hand- und Kopfarbeit zu überwinden, auf dessen Grundlage sich die sozialen Klassen entwickelt haben, und um Schluss zu machen mit der verrohenden Verurteilung zu sich ständig wiederholenden Arbeiten und zu exklusiven Spezialisierungen, dem „Beruf“ oder der „Karriere“, die so sehr von der bürgerlichen Ideologie gehuldigt werden. Jedem Mitglied der Gesellschaft wird die Teilnahme auch an den undankbaren, aber notwendigen Aufgaben am Herzen liegen und es wird die eigenen Fähigkeiten zu Gunsten der Kollektivität auf den unterschiedlichsten Gebieten der gesellschaftlichen Aktivität einbringen können.

Mit dem Ende der Arbeitsteilung können die administrativen Aufgaben, die schon reduziert und durch die Eliminierung des Marktes und des Tauschwertes des kapitalistischen Systems stark vereinfacht sind, unter allen Mitgliedern der Gesellschaft aufgeteilt werden und das Überleben der von der Bevölkerung getrennten (was heute eines der Fundamente des Staates ist) administrativen Maschine hat jegliche Berechtigung verloren. In einer Gesellschaft, die so geschaffen ist, aus der endgültig der Krieg aller gegen alle und jede Form von Individualismus verschwinden wird, wird ebenso jeglicher dauerhafter Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft verschwinden. In der Gesellschaft der gemeinsamen Spezies wird die Teilnahme an der kollektiven Anstrengung das primäre Lebensbedürfnis werden und die freie Entwicklung von jedem „die Bedingung der freien Entwicklung von allen“.

Für diese Zukunft haben ganze Generationen gekämpft, dafür haben Millionen von Proletariern ihr Blut vergossen, in einem Kampf, der schon alle Kontinente erreicht hat. Das ist Kommunismus.

„Nein, das ist eine Utopie!“, wird unser skeptischer Leser rufen. Stopp! Utopie ist, eine ideale Gesellschaft zu entwerfen, ohne den materiellen Bedingungen Rechnung zu tragen, aufgrund derer sie entstehen könnte und ohne den Weg zu weisen, den diese materiellen Bedingungen vorgeben, um dort hinzukommen. Es ist wie den Mond mit einem Tretflugzeug erreichen zu wollen. Historisch stellt sich jedes Problem in einer ganz realen Weise, dort wo es die Möglichkeiten und Bedingungen gibt, es zu lösen. Die Möglichkeiten und die objektiven Bedingungen des Kommunismus existieren schon innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft selber: das hohe Niveau, welches durch die Produktionsmittel erreicht wurde (zur Genüge hoch!), die Globalisierung des ökonomischen Systems, die Präsenz einer Klasse, die auf weltweiter Ebene ums tägliche Überleben kämpft. Es ist notwendig, an der Schaffung der subjektiven Bedingungen zu arbeiten: die Partei, die in der Lage ist, den revolutionären Prozess zu leiten. Aber sowohl die objektiven als auch die subjektiven Bedingungen sind für die Kommunisten schon sehr klar, sie sind kein unlösbares Mysterium oder ein Glaubensartikel!

Auf der anderen Seite, vertreten wir etwa eine Utopie, indem wir mit Klarheit das Ziel und die Mittel angeben, um dies zu erreichen (Organisation der revolutionären Partei, seine Verankerung unter den Massen auf internationalem Niveau, Erhöhung der ökonomisch-sozialen Widersprüche, allgemeine Wiederaufnahme des Klassenkampfes, Explosion der Revolution, die von der Partei geführt wird, Machtübernahme und Errichtung der proletarischen Diktatur, despotische Eingriffe in die Ökonomie, um ein radikal anderes ökonomisches System einzuführen)? Oder vertreten nicht eher all jene eine Utopie, die indem sie das System des Kapitals, des Marktes, des Profites, der Waren, des Wettbewerbes unverändert lassen, sich mit Projekten von „nachhaltigen Entwicklungen“ oder mit „gerechtem und solidarischem Handel“ aufhalten, an das Bewusstsein der Menschen mit gutem Willen appellieren, um die immer häufigeren und blutigeren Kriege zu stoppen, die Medizin in weite Regionen der Erde senden, um das Drama von permanenten Hungersnöten und Epidemien zu lösen, die vorschlagen, die Entwicklung der „rückständigen“ Länder anzukurbeln, um die tragische Plage der Flucht zu beenden (während tatsächlich die mitreißende Errichtung des kapitalistischen Systems in diesen Regionen, dessen internationale Erfordernisse und dessen typisch wiederkehrende Krisen der Ursprung dieses tragischen Phänomens sind)? Das ist eine Utopie und zwar von der schlimmsten Art, weil sie ganz und gar nicht harmlos ist: sie blendet Millionen von Personen und trägt somit zum Überleben und zur Stärkung des Systems bei, das selber die oben genannten Übel produziert.

„Schon, aber dieser 'Kommunismus', von dem ihr redet, den gibt es nirgendwo, das sagt ihr selber!“. Die Denkweise, nur das für möglich zu halten, was schon existiert, ist ziemlich traurig und man verweigert, für etwas zu kämpfen, das es noch nicht gibt, aber das möglich und vor allem nötig ist. Es ist ein wenig so, wie wenn die Brüder Wright nicht daran gearbeitet hätten, eine Maschine zu erstellen, die in der Lage wäre zu fliegen, nur weil sie gesehen haben … dass solche Maschinen nirgendwo existieren! Das, was noch entstehen muss, existiert noch nicht: das ist elementar. Auch die bürgerliche Gesellschaft existierte noch nicht, als die ersten bürgerlichen Revolutionäre sich hingestellt haben, um die feudale Gesellschaft zu bekämpfen. Und nun? Ein solcher Einwand ist ein echtes Charakteristikum der absoluten Passivität, der Abstumpfung der mentalen Fähigkeiten, eingeführt durch eine Ideologie, die in jeder Sekunde zur Schau stellt, dass dies „die beste der möglichen Welten“ ist.

Und es ist dann, wie wir schon gesagt haben, eine falsche Beobachtung. Es gab einen „primitiven Kommunismus“, der aufgrund des niedrigen Niveaus der Produktivkräfte Platz machen musste für die Gesellschaft, die in Klassen geteilt ist. Es gab die Erfahrung der Pariser Kommune von 1871, die gezeigt hat, wie es möglich wäre, das assoziierte Leben auf andere Art und Weise zu reorganisieren (und welche Fehler dabei hätten vermieden werden müssen). Es gab die Erfahrung der ersten Jahre der Oktoberrevolution, die den langen Weg gezeigt hat, auf den man sich begeben muss (und, noch einmal, in welche Fehler der internationalen Strategie man nicht verfallen darf).

„Ja, aber, das sind 150 Jahre des Scheiterns!“. Und nun? Um dazu zu kommen, die eigene Macht auf weltweiter Ebene zu errichten, indem sie den Feudalismus besiegte, hat die Bourgeoisie ungefähr 150 Jahre benötigt: von den primitiven Versuchen der italienischen Kommune bis zur Französischen Revolution 1789 (und in bestimmten Gebieten des Planeten noch viel länger!). 150 Jahre von gloriosen Schlachten, von blutigen Niederlagen, von langen Perioden der Finsternis, von stolzen Steilflügen und letztendlich der totale Sieg. Wer hier diesen Einwand hat, wäre besser damit bedient, diese Eile für unmittelbare Veränderungen aufzugeben, die typisch für die bürgerliche Ideologie ist, die Dinge möglichst früh zu beenden, wir erinnern daran, dass die Kommunisten für die Zukunft der Spezies arbeiten. Dies ist in einem unserer Texte von 1965 nachzulesen: „dass derjenige ein kämpferischer, kommunistischer und revolutionärer Genosse ist, der die ihm eingebrannten Daten, mit denen diese verwesende Gesellschaft ihn klassifiziert, vergessen, leugnen, aus dem Kopf und dem Herzen verbannen kann, und sich innerhalb des gesamten, Jahrtausende zählenden Brückenschlags sieht und einordnet, welcher das mit wilden Tieren kämpfende Stammesmitglied mit dem Mitglied des zukünftigen kommunistischen Gemeinwesens verbindet.“ (Betrachtungen zur organischen Aktivität der Partei, wenn die allgemeine Lage historisch ungünstig ist).

...und was bedeutet es, Kommunist zu sein?

Natürlich, dies ist eine Diskussion, die, wenn sie ausführlich geführt werden würde, Seiten über Seiten füllen würde. Hierbei müsste es tatsächlich in der Praxis darum gehen, das „Programm“ des Kommunismus wieder zu übernehmen. Deshalb müssten wir den ehrlich interessierten Leser auf all unsere Texte und unsere Tradition, Erfahrung und Parteiaktivität verweisen, damit er verstehen und den Weg zur Revolution von ganzem Herzen wiederfinden kann. Und an dieser Stelle können wir dies aus offensichtlichen Gründen nicht machen. Es gibt aber einige feste Punkte, die die revolutionären Kommunisten deutlich charakterisieren. Wir versuchen, diese aufzuzeigen.

Kommunist zu sein bedeutet Antidemokrat zu sein. Die Demokratie ist die Form der bürgerlichen Revolution und Herrschaft. Die Gleichheit von allen Individuen zu fordern, war eine mächtige Waffe, um die typische Eingeschränktheit, Starrheit und Hierarchie der feudalen Gesellschaft zu bekämpfen. Aber die neue Gesellschaft, die aus der bürgerlichen Revolution hervorgegangen ist, hat niemals die Gleichheit gekannt, aus dem einfachen Grund, dass es sich um eine Gesellschaft handelt, die noch in Klassen unterteilt ist und vom Zwang der ökonomischen kapitalistischen Gesetze beherrscht wird. Gleichheit gibt es nur aus Sicht der Bourgeoisie, das Proletariat kennt nur die Not.

Die Dinge haben sich im Verlauf der Jahrhunderte nicht geändert. Die Demokratie bleibt im Gegenteil die beste Hülle für die bürgerliche Herrschaft: die den einzelnen Individuen besser vorgaukelt, frei und der Herr über das eigene Schicksal zu sein, während die enormen materiellen Kräfte sie im Befolgen der Gesetze, in den Arbeitsrhythmen und in den Entwicklungen und Unplanbarkeiten des Lebens, die ihnen total entgleiten, zerquetschen. Darüber hinaus, seit der weltweite Kapitalismus die imperialistische Phase erreicht hat (dominiert durch das Finanzkapital und die großen Blöcke der herrschenden Länder), hat sich diese Demokratie immer mehr in eine leere Hülle verwandelt – sie ist eine rhetorische Erscheinung geworden, die eine substantielle Entwicklung von immer zentralisierterer, autoritärer, faschistischer Form verdeckt.

Demokratie und Faschismus stehen tatsächlich nicht in gegenseitigem Widerspruch zueinander, sondern streiten untereinander mit dem einzigen Zweck, die Herrschaft des Kapitals aufrecht zu erhalten. Es ist offensichtlich, dass die Kommunisten mit einem Konzept wie dem der Demokratie nichts anfangen können, das auf der anderen Seite, seit dem Ursprung des Begriffes, die eigene fundamentale Scheinheiligkeit zeigt. In griechisch bedeutet „Demokratie“ tatsächlich „Macht des Volkes, Macht von allen“: aber, besonders in der klassischen griechischen Demokratie, waren dann von dieser „Macht von allen“ die Sklaven, die Heloten, die Fremden ausgeschlossen. Die Demokratie hat also nichts mit dem Kommunismus gemein, der, indem er die Klassen abschafft, die erste echte Verwirklichung von Gleichheit sein wird: nicht mehr für einige, sondern für die gesamte menschliche Spezies.

Die Demokratie dient den Kommunisten weder als interne Praxis der Partei noch als Instrument, welches dazu dienen würde, den Einfluss der Partei zu erhöhen, noch als Instrument der eigenen Macht, wenn die Bourgeoisie eines Tages besiegt ist. Die kommunistische Partei ist eine disziplinierte Partei, die auf dem organischen Zentralismus basiert: das bedeutet, der Prozess durch den, exakt wie im lebendigen Organismus, Zentrum und Peripherie, direktive und exekutive Organe eng und dialektisch miteinander verbunden sind. Weil alle Organe auf der Basis der vollständigen Kenntnis der Theorie, des Programmes, der Strategie, der Taktik der Partei handeln, gibt es keinen Bedarf an internen demokratischen Zufällen, um die eigene Hierarchie zu definieren, die Ergebnis der natürlichen Auswahl von Genossen ist, die alle an einem gemeinsamen Endziel arbeiten, ohne Privilegien, ohne karrieristische Absichten, ohne formale oder materielle Auszeichnungen.

Auf der anderen Seite erklären die Kommunisten offen ihre Ziele. Sie verbergen niemandem, dass wenn einmal die Macht erobert wurde, sie diese in diktatorischer Weise ausüben werden, weil dies die einzige Art und Weise ist, um die chirurgische Operation zu bewältigen, die darin besteht, Schluss zu machen mit der alten Gesellschaft – eine chirurgische Operation, die lange, schmerzhaft und komplex sein wird, weil Jahrhunderte von Klassenherrschaft nicht ratzfatz verschwinden. Der Widerstand der besiegten Klasse wird scharf sein und dieselben Gewohnheiten und Mentalitäten, die von der gesamten Geschichte des Individualismus und des bürgerlichen Lokalismus, des Wettbewerbes und der kapitalistischen Unterdrückung am Leben gehalten werden, üben eine wahnsinnige Trägheit aus. Deshalb wird nur eine Partei, die auf einem festen Programm basiert und eng mit den großen Massen von Arbeitern und Prekären verbunden ist, die erstmals wieder politisch aufwachen, die Diktatur des Proletariats vollständig verwirklichen können – diese historische Phase als Übergang, ohne den für den Kommunismus kein Sieg möglich ist (als neue Geschichte der menschlichen Spezies und nicht von einer privilegierten Klasse oder einer Schar von Ausbeutern).

Die Diskussion über die Demokratie bringt eine unvermeidliche Konsequenz mit sich. Kommunist zu sein bedeutet Antiparlamentarier zu sein. In der gesamten frühe Phase der Existenz der bürgerlichen Gesellschaft hat das Parlament eine der Kampfarenen für die Kommunisten dargestellt. Sicher nicht die wichtigste: seit den Anfängen war den Kommunisten klar (siehe die Thesen über Parlamentarismus der III. Internationalen von 1920), dass das Parlament vor allem der Ort der demokratischen Illusion war, während die wirklichen, substantiellen Entscheidungen bezüglich des ökonomisch-sozialen Lebens außerhalb des Parlamentes getroffen werden. Und zu glauben, dass die herrschende Klasse (dazu bereit, jeglichen organisierten Klassenausdruck der Arbeiter gewaltsam zu unterdrücken) so naiv wäre, das eigene Überleben der Antwort der Wahlurne anzuvertrauen, ist nicht nur eine Naivität, sondern ein wirklicher politischer Selbstmord.

Das schließt nicht aus, dass die Kommunisten es für die gesamte frühe Phase als nützlich beurteilt haben, das Parlament zu benutzen, ausschließlich als Tribüne von der aus man die eigene Stimme erheben und in den Fakten die Widersprüche zwischen Klassenkampf und den Formen der bürgerlichen Macht zeigen konnte, statt diese demokratisch zu übernehmen. Es war eine Taktik, die nützlich sein konnte, während man dabei nicht vergessen durfte, dass die reale Arena des Zusammenstoßes zwischen Bourgeoisie und Arbeitern außerhalb des Parlamentes war: in den Fabriken, auf den Straßen, auf den Plätzen.

Noch nützlich für die Länder der jungen Demokratie oder für die Länder, in welchen sich der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus ereignete, wurde diese Taktik aber komplett unnütz und sogar schädlich in den Ländern, die seit Jahrhunderten an die Demokratie gewöhnt waren, in welchen der Parlamentarismus schon nur noch eine sehr starke Droge war, um den Kampfwillen der großen Massen einzuschläfern. In der imperialistischen Phase hat sich dann der Prozess beendet, dass die echten ökonomisch-sozialen Entscheidungen in Organen diskutiert und entschieden werden, die komplett von den politisch-repräsentativen getrennt sind: in den Banken, in den Arbeitgeberverbänden, im IWF usw. – dies sind die verschleierten Organe der bürgerlichen Herrschaft, die die allgemeinen und internationalen Interessen des Kapitals repräsentieren, sich die einzelnen Staaten unterwerfen und Stück für Stück die einzelnen nationalen Regierungen und Parlamente und die lokalen „Vertretungsorgane“.

An diesem Punkt kann die Parole der Kommunisten nur, noch deutlicher, antiparlamentarisch und wahlboykottistisch sein. Auf der anderen Seite sind die Modalitäten der Wahlen selber (ihre quälende Häufigkeit, die monströsen Kosten von jedem Wahlgang, die dicke TV-Blase, die Lähmung von jeglichen ökonomischen und politischen Aktivitäten durch die Wahlen) die beste Demonstration ihrer Funktion: die proletarischen Energien einzusperren, sie vom Terrain des Klassenkampfes wegzuführen, vorzutäuschen, dass sie manchmal etwas bringen würden. Wir sagen stattdessen: weg mit diesen Illusionen, um zu einer umfassenden Vision des politischen Kampfes zurückzukehren, weg von dieser frustrierenden Beklemmung der für die Arbeiter nutzlosen, aber für die ausbeutende Klasse sehr nützlichen Veranstaltungen!

Kommunist zu sein, bedeutet Antilokalist und Antiföderalist zu sein. Lokalismus und Föderalismus sind zwei typisch bürgerliche Konzepte (wenn nicht sogar vor-bürgerliche, feudale). Sie gehören zu einer zeitlich begrenzten historischen Phase, in der die ökonomische Struktur noch inselförmig organisiert war, mit ökonomisch getrennten und unabhängigen Subjekten, noch in der Lage – vor dem Hintergrund der begrenzten Entwicklung der Produktivkräfte – in engen Kreisen miteinander zu interagieren. Aber seitdem sich der Kapitalismus im großen Maßstab behauptet hat (und besonders seit er den Weg zum Imperialismus eingeschlagen hat, von dem es keine Rückkehr gibt), ist diese Phase endgültig überwunden. Und Lokalismus und Föderalismus sind weitere wahnsinnige Illusionen geworden, wirkliche paralysierende Mythen.

In der Ökonomie und Politik wird die weltweite Szene von großen Kolossen dominiert, die tendenziell dazu drängen, die kleinen aufzufressen und in jede Ecke des Planeten einzudringen. Das Kapital ist überall eingedrungen und die Globalisierung der Märkte ist schon eine jahrzehntelange Realität. Zu denken zurückkehren zu können, um den Pfad von Unabhängigkeit und Autonomie zu öffnen, gehört zu den Verblendungen des Kleinbürgertums, das durch das, was ihm überall widerfährt, terrorisiert wird und welches nicht versteht will, sondern es stattdessen vorzieht, sich in der Illusion zu wiegen, den eigenen Laden, die eigenen Geschäfte in eifersüchtiger Autonomie durchführen zu können. Das bedeutet zu glauben, das Rad der Geschichte zurückdrehen zu können, mit dem passiven Einverständnis all der monströsen ökonomischen Kräfte, die stattdessen zur Globalisierung und Zentralisierung drängen. Das bedeutet zu glauben, dass zum Beispiel ein vom Norden steuerlich und ökonomisch autonomes Süditalien (aber wie?) zwangsläufig nicht dazu verdammt wäre, steuerlich und ökonomisch vom Norden abhängig zu sein. Das bedeutet sich beispielsweise vorzustellen, dass dieses „Klein ist schön“ eine statische Situation sein könnte, während es die fortlaufende Bewegung und Umwälzung ist, die das Kapital charakterisiert, sein fundamentales Gesetz ist es, zu wachsen und nicht klein zu bleiben. Wir befinden uns hier wirklich im Bereich der totalen Utopie!

Kommunist zu sein bedeutet antinational zu sein. Die Einteilung in Nationen hat die historische Form der Macht der bürgerlichen Klasse dargestellt. Innerhalb der durch lange und komplexe Ereignisse skizzierten Grenzen konnte die herrschende Klasse ihre eigene ökonomisch-politische Rolle entwickeln, in einem dialektischen Verhältnis (von Mal zu Mal pazifistischer Handel und bewaffneter Zusammenstoß) mit anderen herrschenden nationalen Klassen. Indem sie den Mythos der „einheitlichen und unteilbaren Nation“ zum Maßstab setzt, hat die herrschende Klasse die Täuschung aufrecht gehalten, dass es die historische Mission der Proletarier wäre, sich mit der Nation zu identifizieren (ihrem Staat und ihrer Ökonomie), sie mit dem Schwert jedes Mal zu verteidigen, wenn sie bedroht wird.

Seit 1848 haben die Kommunisten diese Täuschung entlarvt. Die Einteilung in Nationen war ein wichtiger Schritt vorwärts in Bezug auf die feudale Zersplitterung, aber sie hatte alle Wundmale der bürgerlichen Herrschaft. Als mit einem Mal die Phase der revolutionären nationalen Kämpfe gegen die alten Regime vorbei war, hatten die Proletarier mit den Nationen nichts mehr gemein. Denn sie haben kein Vaterland (und erst recht in der Epoche des Imperialismus, wo der Kapitalismus bereits jedes Gebiet des Planeten durchdrungen hat und massenhafte Migration hervorgerufen hat).

Auf der anderen Seite ist nicht nur der Kommunismus als ökonomisch-soziales System in seinem Wesen international (das haben wir schon gezeigt), er duldet keine geografische Begrenzung; sondern der Kapitalismus selber als ökonomisch-soziales System verherrlicht fortlaufend den Mythos der Nation und nutzt diesen jedes Mal als Hebel, wenn es die inner-imperialistischen Kriege und Widersprüche nötig machen. Dabei hat sich der Kapitalismus längst nationen-übergreifend entwickelt: genau dieser Widerspruch zwischen dem internationalen Niveau, das durch die kapitalistische Produktivkräfte erreicht wurde und dem nationalen Horizont im ideologischen bürgerlichen Diskurs ist eine der unüberwindbaren Beschränkungen, die den historischen Tod des Kapitalismus notwendig machen.

Aber antinational zu sein, bedeutet nicht nur Antipatriot zu sein, zu verweigern, in die Falle der Verherrlichung und Verteidigung eines „nationalen Vaterlandes“ zu tappen, welches für die Proletarier gar nicht existiert. Es bedeutet auch wieder zu erkennen, dass der Staat, der über die nationalen Grenzen konstruiert wurde, nichts anderes ist als die Maschine, die die Interessen der herrschenden Klasse verteidigt. Der also kein Organismus ist, der über den Klassen steht, von der Sorte eines „guten Vaters“, der unparteiisch das soziale und ökonomische Leben der Kollektivität verwaltet, sondern – wie dies historisch bei jedem Staat der Fall war (und wie dies auch beim „Staat der proletarischen Diktatur“ sein wird) – ein klassenmäßiges Zwangsinstrument. Nur mit dem Kommunismus und somit mit der Abschaffung der Klassen wird die Erfordernis von solch einem Zwangsinstrument verschwinden, weil die Menschheit dann daran keinen Bedarf mehr haben wird.

Aber antinational zu sein bedeutet auch, nicht der Täuschung zum Opfer zu fallen, die heute besonders heimtückisch und verbreitet ist, dass die Nationalökonomie die „Ökonomie von allen“ sei. Die Nationalökonomie ist die Ökonomie des Kapitals und es gibt keine gemeinsamen Interessen zwischen Kapital und Arbeit. Wenn Produktion und Export erhöht werden, dient das dazu, das Kapital zu befriedigen und sicher nicht den Arbeiter, der diese Erhöhungen mit Schmerz und Mühe bezahlt. Wenn das BIP oder die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Waren erhöht werden, bedeutet das nicht eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der proletarischen Masse, weil die Profite nicht großzügigerweise verteilt werden, sondern in den produktiven Prozess reinvestiert werden, zum ausschließlichen Vorteil des Kapitals. Sich für die „übergeordneten Anforderungen der Nationalökonomie“ abzubuckeln und Opfer in deren Namen zu akzeptieren, bedeutet schließlich, passiv die eigene Unterordnung unter die Bedürfnisse der herrschenden Klasse zuzulassen. Nicht nur: es bedeutet auch morgen, wenn diese Anforderungen es verlangen, es zu akzeptieren, gegen Proletarier eines anderen Landes in den Krieg zu ziehen, die auf dieselbe Art und Weise getäuscht wurden.

Die antinationale Position der Kommunisten impliziert tatsächlich auch eine klare und entschiedene Position in den Auseinandersetzungen mit all den Kriegen, die zwangsläufig in der imperialistischen Phase des Kapitalismus entstehen. In dieser Phase haben die Kriege (unwichtig, ob sie im Namen der Nation, des Vaterlandes, der Freiheit oder der Menschlichkeit geführt werden) nicht mehr das Ziel, Überreste von überwundenen ökonomisch-sozialen Systemen wegzufegen oder ein ethisch-politisches Ideal gegenüber einem anderen durchzusetzen. Aufgrund des zwangsläufigen Verlaufs von jeglichem ökonomischen Zyklus (Boom, Sättigung, Krise) haben diese Kriege das einzige Ziel zu zerstören, was im Exzess produziert wurde (Waren und menschliche Wesen), damit dieser höllische Zyklus von neuem wieder aufgenommen werden kann. Die Kommunisten sind deshalb gegen diese Kriege, weil sie den drastischsten Ausdruck der Fäulnis darstellen, die sich bereits dem sterbenden ökonomisch-sozialen System bemächtigt hat.

Aber die Kommunisten sind nicht gegen die Kriege im Namen eines allgemeinen Pazifismus: der Pazifismus ist unfähig (und er ist es immer gewesen), die Kriege zu stoppen, vor allem weil er auf einer „moralischen Option“ basiert, die sich immer in einen „Interventionismus“ transformiert, jedes Mal, wenn die kriegstreiberische Propaganda von irgendeinem Staat die Werbetrommel gegen die „Barbarei des Feindes“ oder gegen das „Böse“ laut genug geschlagen hat. Auf der anderen Seite können die Kommunisten nicht Pazifisten oder Gewaltfreie sein, weil sie sehr gut wissen, dass der Übergang von einem ökonomisch-sozialen System zu einem anderen nicht pazifistisch stattfinden kann, es wird ein gewaltsamer „Angriff auf den Himmel“ sein müssen. Und deshalb bekämpfen sie die paralysierenden Mythen des Pazifismus und der Gewaltfreiheit, und erinnern die Proletarier daran, dass sie nicht der Täuschung von Kriegen, die im Interesse anderer geführt werden, zum Opfer fallen dürfen, sondern die eigene Energie und das eigene Blut für den einzigen Krieg aufheben müssen, der sie interessiert: den revolutionären für den Kommunismus.

„Ich glaube, ich verstehe, dass es für euch notwendig ist, die Energien der Partei in die politische, theoretische, praktische Vorbereitung der extremen Lösung, der Revolution und der proletarischen Diktatur zu konzentrieren... Aber, werden bis dahin die Arbeiter, die Proletarier in den täglichen Verteidigungskämpfen für die Lebens- und Arbeitsbedingungen sich selber überlassen? Oder sind diese Kämpfe sogar nutzlos?“ wird nun unser skeptischer Leser sagen.

Mitnichten! Wir wären keine Kommunisten, wenn wir sagen würden, dass diese Kämpfe nutzlos oder dass sie für die Partei, die an der Revolution arbeitet, nicht wichtig wären! Es sind stattdessen gerade diese Kämpfe, in denen die unterdrückte Klasse Stück für Stück das Bewusstsein für die Notwendigkeit der finalen revolutionären Schlacht erlangt. Deshalb ist die Intervention in die Forderungskämpfe und in die Organismen, die aus diesen Kämpfen entstanden sind (die offiziellen Gewerkschaften oder die anderen, unabhängigen Organismen), um ihnen eine klassenmäßige Orientierung zu geben, ein essentieller Teil der Aufgaben der Partei, fester Teil ihres historischen Vermögens, ihrer ununterbrochenen Tradition.

An diesem Punkt, stellt sich von neuem die Aufgabe, die Lenin 1903 gestellt hat in: Was tun?

Was tun?

Diese Frage stellt sich heute mit noch dramatischerer Dringlichkeit als damals, als Lenin sie 1903 stellte, als er die gleichnamige Broschüre schrieb. Das war damals in der Tat eine Epoche von großen und kraftvollen Streiks. Und wenn auch noch die revolutionäre Partei fehlte, so existierte aber eine Generation von Aktivisten mit großer Erfahrung davon, wie eine politische Kampforganisation zu selektieren, auszurichten und einzurahmen ist. Heute leidet die Arbeiterklasse unter einer tödlichen Last an reformistischen Illusionen, hinterhältigen Theorien über „Postindustrialismus“, über „Informationstechnologie und Automatisierung als neue Phase in der Geschichte“, über das „Verschwinden der Arbeiterklasse“ und allgemeiner, unter der stalinistischen Konterrevolution. Für die internationalistischen Kommunisten ist es deshalb offensichtlich, dass es darum geht, fast wieder von vorne anzufangen: aber auf Basis eines enormen theoretisch-strategischen Vermögens und mit einem großen Schatz von praktischen Erfahrungen.

Es ist klar, dass für uns der zentrale Punkt, um den sich alles dreht, die Reorganisierung der Partei auf internationalem Niveau ist. Wenn man nicht an diesem Ziel arbeitet, ist jeglicher Kampf zum Scheitern verurteilt, auch ein mutiger, auch ein – zu historischen Zeiten – heroischer. Und die weltweite Arbeiterklasse würde nur aus den tragischen Niederlagen von zu vielen Jahrzehnten emporsteigen, um von neuem einen Weg einzuschlagen, der zum Scheitern verurteilt ist.

Das Programm des revolutionären Marxismus zu bekräftigen und zu verbreiten ist unsere primäre Aufgabe: aber das kann man nur im Rahmen einer umfangreichen und allgemeinen Aktivität machen, die zwangsläufig die der Partei ist. Es existieren auf dieser Ebene keine Arbeitsteilungen („zuerst die korrekte marxistische Theorie wiederherstellen, dann, ….“). Auf diese Weise zu denken, bedeutet in der Art und Weise des gesamten nicht-materialistischen zu denken, bedeutet außerhalb des Marxismus zu stehen, weil der Marxismus keine Philosophie oder Meinung ist, sondern eine Kampfwaffe, ein Instrument, dank dem es möglich ist, den Angriff gegen eine schon überholte Produktionsweise zu führen, und durch die Diktatur des Proletariats schließlich die Menschheit in eine klassenlose Gesellschaft zu führen.

Diese Organisation auf weltweitem Niveau existiert heute nicht. Es wird deshalb notwendig sein, unsere Kräfte darauf auszurichten, dass der kleine aktive Kern, der wir heute sind, eine wirklich internationale Struktur wird und als Partei international arbeitet. Wer sich uns annähert, wird gut verstehen, warum diese Notwendigkeit des Internationalismus keine rhetorische Phrase oder ein sentimentales Bestreben bleiben darf. Er muss mit Herz und Verstand, mit Händen und Beinen hergestellt werden, um am Ende Realität zu werden.

Hierfür stehen das Konzept und die Praxis des Internationalismus im Zentrum unserer theoretischen und praktischen Aktivität, von Propaganda und Agitation. Besonders auf diesem Gebiet hat die weltweite Arbeiterklasse in den letzten Jahrzehnten die vernichtendste Niederlage erlitten: durch die dreckige Theorie vom „Sozialismus in einem Land“ zur Proklamation der „nationalen Wege zum Sozialismus“ bis zu all den Episoden von „Kriegen zwischen den Armen“ oder von künstlichen Widersprüchen zwischen den Sektoren einer Klasse, die nur siegreich sein kann, wenn sie einheitlich ist.

Es ist auf der anderen Seite klar, dass diese internationale Ausbreitung nur auf Basis der rigorosen Akzeptierung des Marxismus und unserer klassischen Thesen stattfinden kann. Die Partei formiert sich nicht, indem sie diverse Gruppen zusammenfügt, sondern durch einen Prozess der Selektierung von Elementen der Avantgarde, die die Nutzlosigkeit der vorherigen Wege und die Unvermeidbarkeit unseres Weges verstehen. Deshalb gibt es für uns keine Schnellschuss-Hochzeiten oder andere Tiraden, keine „Regenbogenbewegungen“, besonders in einer Phase wie dieser von äußerst niedrigem revolutionärem Potential; sondern für einen Beitritt ist von jedem einzelnen die individuelle Akzeptanz von unserem Parteiprogramm notwendig.

Die Verteidigung der Theorie wird noch immer unsere Hauptaufgabe sein, sowohl in der Reorganisierung der Partei auf weltweitem Niveau als auch in der täglichen Aktivität, mit der Teilnahme an Kämpfen, mit Propaganda und mit der Agitation. Ohne diese Verteidigung (was bedeutet, zum ABC des Marxismus zurückzukehren bezüglich jedem Teil, ob groß oder klein, des sozialen Lebens) verfallen wir in einen sterilen Aktivismus, in eine Beliebigkeit von Aktionen ohne Ziel: wir würden im „heute machen“ versinken, befreit von jeglicher revolutionärer Entwicklungsperspektive. Und wir würden der Arbeiterklasse, die zu sehr durch die desaströsen Folgen von prinzipienlosem Pragmatismus gepeinigt wird, einen sehr schlechten Dienst erweisen, uns selber vorgaukeln (und, was schlimmer ist: der Arbeiterklasse vortäuschen), dass der revolutionäre Weg nichts anderes wäre, als ein grobes Anhäufen von Aktionen, Interventionen, Flugblattaktionen.

Für uns bedeutet die Verteidigung der Theorie: Analyse der Realität aus dem Blickwinkel des Marxismus, Kritik der herrschenden Ideologie, Entmystifizierung von allen Positionen, die sich als kommunistisch erklären aber stattdessen weit davon entfernt sind, politische Vorbereitung der Aktivisten innerhalb einer kollektiven Parteiarbeit, Lenkung der Arbeiterkämpfe und Teilnahme an ihnen, wo es möglich ist, Stärkung, Verankerung und Ausbreitung der Partei-Organisation.

Von diesem Standpunkt aus gesehen muss unsere Zeitung immer mehr der kollektive Organisator sein, von dem Lenin in „Was tun?“ gesprochen hat. Die kommunistische Zeitung muss gleichzeitig ein Instrument zur Formierung der Aktivisten sein, ein Bezugspunkt für die Klasse und ihre täglichen Kämpfe, ein Spiegel des pulsierenden Lebens der Partei. Und auch deswegen hat unsere Zeitung keine unterschriebenen Artikel. Die ausgedrückten Positionen, sind nicht Resultat der persönlichen Meinung von Einzelnen, sondern ein kollektives Vermögen, und als solches muss der Leser sie wahrnehmen und sich aneignen – entgegen all den schlechten individualistischen und personenbezogenen Angewohnheiten, die stattdessen (und nicht zufällig) die Welt der bürgerlichen Medien charakterisieren.

Aber diese Verteidigung der Theorie geht notwendigerweise mit einer ernsthaften und konstanten Arbeitsverpflichtung einher, im engen Kontakt mit der Klasse, in den Grenzen, die unsere Kräfte erlauben. Momentan ist diese Arbeit im Kontakt mit der Klasse alles andere als einfach und deshalb kann diese nicht am runden Tisch in voluntaristischer Art und Weise initiiert werden. Sie ist gezwungen, den desaströsen Effekten sowohl des Stalinismus als auch der Demokratie, den ökonomisch-industriellen Transformationen unter dem Druck der schon über ein halbes Jahrhundert andauernden Krise (ungefähr seit den 1960/70ern), dem Gefühl von Desillusionierung und Isolierung, in das ganze Generationen von Arbeitern gefallen sind sowie den spontaneistischen und individualistischen Versuchen, die die Perioden von Verwirrung zwangsläufig produzieren, Rechnung zu tragen.

Keine Illusionen, keine „Abkürzungen“ also. Es muss im Gegenteil klar sein, dass jegliche Perspektive einer Wiederaufnahme des Klassenkampfes durch die Zurückeroberung von einigen fundamentalen Inhalten passieren muss. Und dass diese Zurückeroberung die einzige mögliche Basis sein wird, an der die Neuentstehung der Verteidigungsorganisationen der Lebens- und Arbeitsbedingungen, auch wenn nicht sofort, anknüpfen kann, und dank dieser der Widerstand der Arbeiter gegen die Angriffe des Kapitals.

Was sind diese fundamentalen Inhalte?

  1. Zurückweisung der Erpressung der „Vereinbarkeit“ mit der Nationalökonomie. Wie wir schon gesagt haben, ist die Nationalökonomie kein Gemeingut. Ihre Verteidigung bis aufs äußerste den Arbeitern aufzuzwingen, wie es mit den Einigungen von Gewerkschaft-Regierung-Arbeitgeberverband 1992-1995 geschehen ist (ein Beispiel aus Italien: die Geschichte hat weitaus mehr Beispiele), bedeutet nur größere Ausbeutung, Verschlechterung der Lebensbedingungen, Intensivierung der Arbeitsrhythmen, der Mobilität und Prekarität, Multiplizierung der Arbeitsunfälle, Reduzierung des Reallohnes, steigende Umweltzerstörung, eine weitere Anhäufung der inner-imperialistischen Widersprüche, früher oder später dazu bestimmt, in einen neuen Weltkrieg zu münden.
  2. Zurückweisung jeglicher Einschränkung der Arbeiterkämpfe. Seit Jahrzehnten ist es die gewerkschaftliche Praxis gewesen, auf der einen Seite die Energien der Arbeiter zu zerstreuen (Mikrokonflikte, Auffächerung der Kämpfe nach Abteilung, Fabrik, städtische Zone, Region oder Sektor, präventive zeitliche oder räumliche Beschränkung des Streiks, abweichende Ziele wie die Verteidigung der Nationalökonomie, der Demokratie, der Legalität usw.); auf der anderen Seite aktiv an ihrer Einschränkung mitzuwirken (Selbstreglementierung, Erstarrung der gewerkschaftlichen Strukturen, Ausgrenzung und Denunzierung von kämpferischen Arbeiten usw.). All das muss bekämpft werden, nicht im Namen einer gewerkschaftlichen Scheindemokratie (was eine luftleere Parole ist, wie wir es seit mehr als einem halben Jahrhundert in der unwiderruflichen anti-proletarischen Ausrichtung der Regime-Gewerkschaften gesehen haben), sondern im Namen einer authentischen Wiederaufnahme des Klassenkampfes, der dazu zurückkehren muss, möglichst rigide und umfassend zu sein. Der Streik, der Streikposten, die Blockade der Produktion, die Arbeiterdemonstration usw. sind Waffen der Proletarier: und niemand darf ihnen diese aus den Händen reißen, um sie unwirksam zu machen oder sie gegen sie selbst zu richten.
  3. Zurückweisung von jeglicher internen Spaltung der Klasse. Zu den verwüstenden Effekten der Konterrevolution und der Praxis der opportunistischen Parteien und Gewerkschaften gehört die Zersplitterung der Klassenfront und als Konsequenz die Verbreitung der lokalistischen und föderalistischen Ideologien, die Feindseligkeit, das Misstrauen und der Wettbewerb zwischen den Arbeitern, der erbitterte Individualismus. All das führt statt zu einem Rettungsweg für einzelne oder bestimmte Sektoren nur zu immer desaströseren Niederlagen. Die Arbeiterklasse kann heute versuchen, den Angriffen, die das Kapital lostritt, zu widerstehen und morgen zum Gegenschlag übergehen, aber nur wenn sie ihre Einheit mit den Zielen und Methoden des Klassenkampfes wiederfindet, nur wenn sie sich nicht als formlose Summe von Individuen, sondern als Klasse wiedererkennt (indem sie handelt), gegen alle Versuche, sie zu zersplittern und zu spalten. Und als Klasse muss sie dazu zurückkehren, gegen die Lohnkäfige, die Entlassungen, ständig wechselnde Arbeitsverhältnisse, die Unterteilung z.B. nach Alter und Geschlecht, Schwarzarbeit und alle Formen von Prekariat, den Mythos der Berufe, den Föderalismus, den Lokalismus, den Rassismus und all die Arbeitsverhältnisse, die Arbeiter gegen Arbeiter stellen, Männer gegen Frauen, Junge gegen Alte, „einheimische“ Arbeiter gegen migrantische Arbeiter zu kämpfen.
  4. Verweigerung von jedem Angriff auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das Kapital in der Krise ist gezwungen, einen gewaltsamen Angriff gegen die Arbeiterklasse zu richten (und auch gegen große Schichten der Mittelklasse, die bislang noch die Illusion hatte, vor bösen Überraschungen sicher zu sein). Die Klasse muss diesem Angriff widerstehen und ihn zurückschlagen und sie kann dies nur machen, indem sie zu einem klassenkämpferischen Weg zurückkehrt und auf dieser Basis eine Einheit zurückerlangt. Aber weitere Angriffe werden folgen, weitere Versuche, den Arbeitern die Folgen einer Krise aufzubürden, die nicht Folge einer schlechten Verwaltung, einer privaten Veruntreuung, eines persönlichen Egoismus sind. Diese Versuche werden notwendigerweise unterschiedliche Formen annehmen, einige „süßere“ und hinterhältigere, andere härtere und deutlichere. Die Arbeiter müssen sich deshalb auf einen Kampf vorbereiten, dessen Resultate gezwungenermaßen prekär sein werden, dessen Siege können sofort wieder in Frage gestellt werden, dessen Errungenschaften sind absolut nicht von Dauer. Was die Klasse machen muss, ist ein alltäglicher Widerstandskampf, ohne der Illusion zu verfallen, dass es möglich wäre, zu alten Zeiten des Friedens und der Idylle zurückzukehren (die es niemals gegeben hat: die Garantien und Privilegien, die manche Arbeiterschichten genossen haben, wurden von der großen Masse bezahlt, sie haben die erbarmungslose Ausbeutung von anderen Gebieten des Planeten und die fortschreitende Zerstörung der Umwelt bedeutet...).

Die Arbeiter dürfen sich nicht von falschen Zielen irreführen lassen. Sie müssen heute für das eigene physische Überleben kämpfen und fordern:

  • Starke Lohnerhöhungen, die größten für die schlecht bezahlten Branchen (die immer mageren Löhne ermöglichen es nicht, Familienteile zu unterstützen, die gegenwärtig oder künftig von Erwerbslosigkeit bedroht sind, die medizinische Versorgung wird immer prekärer und gleichzeitig teurer, die Belastung durch Mieten, Licht, Gas, Transport und unterschiedliche Gebühren steigt immer weiter an...).
  • Starke Reduzierung der Arbeitszeit. Die Arbeitsbelastung durch Mobilität und Überstunden wächst täglich, wie auf dramatische Weise die Zahl der Unfälle steigt, die direkt auf die Erhöhung der Produktivität und das Sparen von Schutzmaßnahmen zurückzuführen sind: zu kämpfen für die Reduzierung der Arbeitszeit bedeutet nicht, sich in der Illusion hinzugeben, dass dies die Erwerbslosigkeit wieder aufsaugen könnte, sondern daran zu arbeiten diese Belastung zu verringern, die Anspannungen zu verringern, denen Millionen von Arbeitern unterworfen sind, eine psychisch-physische Kraft wiederherzustellen, die aktuell schwer angegriffen wird – mit dem einzigen Ziel, Profite fürs Kapital rauszuziehen – das bedeutet in der Summe auch für die Wiederherstellung der eigenen Klassenidentität zu kämpfen.

So weit schon gesagt, es leiten sich hieraus zwei grundsätzliche Betrachtungen ab. Jegliche Behauptungen, dass der ökonomische Kampf (die Verteidigung der Lebens- und Arbeitsbedingungen) überholt ist, stellt sich außerhalb der Klassenlinie, bedient nur die pseudo-extremistische Demagogie. Wir wissen (alle Arbeiter müssen es wissen), dass, unter dem Regime des Kapitals jede Errungenschaft, die heute durch den Kampf errungen wurde, dazu verurteilt ist, morgen wieder verloren zu gehen, bis dieses Regime eines Tages umgestürzt wird. Trotzdem zeigt besonders Lenin in „Was tun?“, dass der unmittelbare ökonomische Verteidigungskampf die notwendige Stufe ist, um anzufangen die Treppe emporzusteigen, die die Klasse dazu bringt, sich der Unvermeidlichkeit des letzten Zusammenstoßes bewusst zu werden. Ohne diese Stufe gibt es keine Zukunft (und es ist die Aufgabe der Partei, eine gemeinsame Grundlage für die gesamte Klasse zu konsolidieren und zu schaffen, indem sie gleichzeitig die Notwendigkeit aufzeigt, die anderen Stufen immer weiter zu gehen). Der ökonomische Kampf ist die Schule für den Krieg des Proletariats, sagte Lenin: und genau das muss er wieder werden.

Hieraus leitet sich die andere Betrachtung ab: ökonomische Verteidigungsorganismen werden notwendigerweise wiederentstehen müssen und sie werden möglichst breit und offen sein, um wirklich der Tendenz zur Teilung und Aufsplitterung entgegenzuwirken, der Abgeschlossenheit und der Zurückgezogenheit, was die Gewinnerkarte in der Hand des Kapitals darstellt. Sie werden wieder die Instrumente des Kampfes der Arbeiter sein müssen, die Strukturen, die in der Lage sind, sie zu organisieren und sie zu zentralisieren, die lebensnotwendige Zwischenschicht zwischen der Klasse und der politischen, revolutionären Partei.

Gibt es heute diese Organismen? Die aktuellen Gewerkschaften komplettieren die Entwicklung (dies haben wir bereits direkt in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg so erkannt) der fortlaufenden Integration in den Staat des Kapitals, bis dahin, dass sie dessen echte tragende Strukturen geworden sind. Die Antworten der Arbeiter auf diesen Verrat haben nicht gefehlt, und in den letzten 20 Jahren hat es die Entstehung von unzähligen Strukturen und mehr oder weniger gescheiterten Versuchen gegeben: ihre Grenzen, die wir viele Male angeprangert haben. Es sind die diffusen föderalistischen und autonomen Neigungen und Versuche, die Abgeschlossenheit innerhalb eines Sektors, die demokratischen Marotten und Formalismen, die diese Organismen (häufig großzügig in der Energieverschwendung) zerbrechlich und provisorisch machen, unfähig sich eine einheitliche und zentralisierte Struktur zu geben, zu anfällig für die Ergreifung von demagogischen und anmaßenden Positionen, die häufig darin enden, andere Konfusions- und Spaltungselemente innerhalb der Klasse hervorzurufen: Schwächen, die die heutige Situation der Arbeiter widerspiegeln.

Die internationalistischen Kommunisten, die bewußten und sehnsüchtigen Proletarier, die auf dem Klassenterrain stehen, werden einen offenen und entschiedenen Kampf gegen die Formen und die Inhalte des Regime-Gewerkschaftlertums führen und die negativen Tendenzen in den Organismen, die in der Desillusionierung und im Ekel daran entstanden sind, einer harten Kritik unterziehen. Aber sie werden sowohl in den Gewerkschaften (so lange ihre Präsenz nicht unmöglich geworden ist und sie nicht verjagt werden: und falls doch, dann werden sie den organisierten Arbeitern in klaren Worten zeigen, wie sich die Gewerkschaft anti-arbeitermäßig verhält) als auch in den spontanen Organismen (sie arbeiten darin, um die groben Grenzen zu überwinden, an denen diese Organismen leiden) arbeiten. Sie werden überall dort arbeiten, wo die Arbeiterklasse ist: nicht um ihr zu folgen, sondern um sie anzuleiten, nicht um sich an die Praxis der Gewerkschaften oder spontanen Organismen anzupassen, sondern um sich zu wehren und den Arbeitern zu helfen sich zu wehren. Noch einmal: im Zentrum von jeglicher Strategie und vor jeder anderen Sache müssen die Inhalte zurückkehren, nicht die Formen.

Nur so wird es möglich sein, effektiv zur Wiederaufnahme der Klassenkämpfe beizutragen und mit diesen zur Wiederentstehung der gewerkschaftlichen Organismen, die nicht der Diener des Staates sind. Nur so wird es möglich sein, dahin zurückzukommen, die Perspektive der revolutionären Partei, der proletarischen Revolution, des Kommunismus innerhalb einer kämpfenden Klasse wieder lebendig zu machen. Niemals hatte die weltweite Arbeiterklasse einen so dramatischen Bedarf an dieser Perspektive.

Zum Abschluss

Jetzt, wo wir am Ende dieser Ausführungen angekommen sind (die offensichtlicherweise nicht beanspruchen konnten, alle Fragestellungen zu behandeln), hoffen wir, unseren skeptischen Leser überzeugt zu haben. Wir wollen es aber nicht dabei belassen, ohne vorher zwei grundsätzliche Konzepte bekräftigt zu haben, für jeden, der sich ersthaft dem revolutionären Kommunismus annähern will.

Das erste der zwei Konzepte ist, dass „die Revolutionen nicht gemacht werden, sondern geleitet werden“. Die Revolutionen brechen aus der sozialen Oberfläche hervor, wenn die materiellen Bedingungen sie möglich und notwendig machen und es gibt keinen Willen von Einzelnen oder Gruppen, die diesen Prozess beschleunigen oder modifizieren könnten. Aber, ohne eine Führung und eine Leitung endet die enorme soziale Energie, die aus der sozialen Oberfläche hervorströmt, darin, wieder zu verfliegen „wie Dampf, der nicht in einem Kolbenzylinder eingeschlossen ist“ (Leo Trotzki, „Einführung“ zur Geschichte der russischen Revolution, 1930).

Das zweite Konzept, welches eng an das erste gebunden ist, ist dass „die Partei auf die Massen warten kann, aber die Massen können nicht auf die Partei warten“. Trotzki erinnerte tatsächlich, „aber die Massen sind keineswegs identisch: es gibt revolutionäre Massen, es gibt eine passive Masse, es gibt reaktionäre Massen. Die gleichen Massen sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten von unterschiedlichen Stimmungen und Zielen inspiriert. Gerade aus diesem Grund ist eine zentralisierte Organisation der Avantgarde unerlässlich“ (Trotzki: Die Moralisten und Sykophanten gegen den Marxismus, 1939).

Die Partei ist also das Element der Kontinuität im langen Vorbereitungsprozess und dann der Entfesselung der Revolution. In den dunklen und konterrevolutionären Perioden, wenn die Massen „passiv“ oder sogar „reaktionär“ sind, arbeitet sie gegen den Strom, im Bewusstsein, dass es die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung selber sind, die die künftige Eruption vorbereiten. Und, wenn sich bestätigt, dass diese Massen wieder für die revolutionäre Perspektive aufwachen, müssen sie ihre eigene Führung finden, die schon existiert, schon aktiv ist, ihren eigenen „Kolbenzylinder“. Zu oft in der Geschichte, wurden die Massen wieder aus der Trägheit und Lethargie aufgeweckt, aber waren alleine, auf der Szene des Dramas. Und das Drama ist dann zur Tragödie geworden.

Am Ende einer seiner bedeutungsvollsten Romane schrieb der englische Romanschriftsteller Charles Dickens (Bleak House, von 1853 – die langen Mühen eines Gerichtsverfahrens, gegen die Grundlage von einem England, das durch Geld beherrscht wird, durch Eigentumstitel, durch eine neue triumphierende Technologie):

„das Gedränge geriet bald in Bewegung, und die Leute kamen mit roten erhitzten Gesichtern, mit einer förmlichen Wolke verdorbener Luft umgeben, herausgeströmt. […] [wir] sahen, wie große Pakete Akten herausgetragen wurden, Pakete in Beuteln – Bündel, zu groß, um sie in Beutel zu stecken –, unermeßliche Papiermassen, zusammengeschnürt oder lose, unter deren Gewicht die Diener wankten […]. Wir [fragten] einen wie eine Amtsperson aussehenden Mann, der mitten unter ihnen stand, ob der Prozeß aus sei. 'Ja', sagte er, 'endlich hat er ein Ende gefunden!' und fing auch an zu lachen.“

Und dafür arbeiten wir, eine kleine Partei, die gegen den Strom kämpft. Weil man eines Tages lachend sagen könnte: „Es ist endgültig beendet!“, und man schreitet dann aus der Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft zu ihrer Geschichte. Und es gibt keine Passion, es gibt keine Hingabe, es gibt keine Energien, die auf dieses Ziel gerichtet sind und die als verschwendet bezeichnet werden können.

Ursprünglich verfasst Ende 1995, überarbeitet und ins Deutsche übersetzt Ende 2019.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

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